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Beckmanns Befreiungsschlag: Da waren's nur noch vier Talkshows

Reinhold Beckmann
Foto: NDR/Morris Mac Matzen
Reinhold Beckmann
Foto: NDR/Morris Mac Matzen
Seit die ARD 2011 im zweiten Anlauf Günter Jauch verpflichtete, wird das Erste Programm auf Medienseiten gerne zum Talkshow-Sender heruntergerechnet; ein gedanklicher Kurzschluss, der die ARD-Intendanten, die lieber die inhaltliche Breite ihres Programms belobigen, überhaupt nicht beglückt. Allerdings kommt er nicht von ungefähr. Weil Jauchs Vorgängerin Anne Will mit einem neuen Sendeplatz am Mittwoch versorgt wurde und weil von Sonntag bis Donnerstag, also an fünf Tagen pro Woche, in der ARD geredet wird, muss man wohl eine gewisse Talk-Fixierung konstatieren. Gesund ist das nicht.

Doch der Entzug fällt schwer. In der ARD ist es nämlich so, dass man sich von den Anschaffungen, die einmal getätigt wurden, nur schwer wieder trennen kann. Das liegt an einem Reflex, der sich Besitzstandswahrung nennt, und der in einem mühsam austarierten föderalen System, wie es die ARD bildet, besonders ausgeprägt ist.

Druck aus Bayern
Da wirkt es dann auf den ersten Blick fast revolutionär, wenn der Landesfürst von Bayern anregt, die Zahl der Talkshows von fünf auf drei zu verringern. Dieser Vorschlag von Ulrich Wilhelm verstärkte zwar den Druck auf den Anstaltsverbund, kostete den Intendanten des Bayerischer Rundfunks selbst jedoch höchstens ein Schulterzucken, weil sein Haus keine Talkshow im Ersten platziert und folglich auch keinen Besitzstand aufgeben muss.

Vielmehr ist der Besitzstand im ARD-Talkwesen wie folgt verteilt: Der WDR schickte Frank Plasberg und Sandra Maischberger ins Rennen, der NDR Anne Will und Reinhold Beckmann. Darüber schwebt der Sonntags-König Jauch, den sich der NDR auch noch zurechnen mag. Auf diese Weise hatten sich die beiden größten ARD-Anstalten Talkshow-mäßig arrangiert, und zwar so gut, dass die Situation wie in Stein gemeißelt schien. 

Beckmanns Befreiungsschlag
Zum Glück ist nun das passiert, was man in der Sportberichterstattung gerne als Befreiungsschlag bezeichnet. Gelandet hat ihn der einstige "ran"-Macher Beckmann, indem er selbst seinen Rücktritt für das kommende Jahr ankündigte.

Spielverderber würden sagen, Beckmann hätte wegen schlechter Quoten sowieso auf der Abschussliste gestanden. Fest steht, dass er im Zuge des großen, der Ankunft von Jauch geschuldeten Stühlerückens vom Montag auf den Donnerstag verschoben wurde, den schlechtesten Sendeplatz des Talk-Quintetts.

"Ich bin der Debatten über Sinn oder Unsinn der politischen Talkshows in der ARD einfach müde", erklärte Beckmann der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Und dann sagte er noch einen Satz, der den ARD-Intendanten in den Ohren klingeln müsste: "Ich will nicht Gegenstand eines senderpolitischen Ablass- oder Kuhhandels werden, wo keiner weiß, was am Ende rauskommt."

Die erleichterten ARD-Intendanten wollen künftig am Donnerstag statt des Talks auf Satire oder Comedy setzen. Und auch Beckmann wird in kein Loch fallen; er moderiert die Sportschau, lenkt seine eigene Produktionsfirma und hat nun, so könnte man das sehen, etwas gut beim NDR-Intendanten Lutz Marmor, der zugleich ARD-Vorsitzender ist. Ansonsten hat das Erste jetzt nur noch vier Talkshows und wartet damit auf den offiziellen Freispruch von dem üblen Verdacht, ein Talkshow-Sender zu sein.
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