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Burdas Erster Online-Journalist Jochen Wegner geht

Jochen Wegner
Foto: Hubert Burda Media
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Jochen Wegner
Foto: Hubert Burda Media
Als das Online-Dingens in den neunziger Jahren gerade erst zum Höhenflug ansetzte, war Jochen Wegner einer der allerersten Internet-Versteher unter deutschen Journalisten. Seine Kenntnis und Begeisterung rührt noch aus dem digitalen Holozän, als eine Handvoll interessierter Protagonisten eine Zukunft witterte, deren Faszination dem Rest der Branche noch verborgen blieb. Wegner war damals noch Wissenschafts-Redakteur beim Focus. Außerdem schrieb er Bücher über Internet-Journalismus und Recherche, analysierte früh die Googleisierung der Medien und gründete noch viel früher die Journalisten-Mailingliste Jonet, das schon einen Netzwerk-Tag veranstaltete, als Facebook&Co. noch nicht zum Alltag gehörten.

Irgendwann wurde es dort allerdings still um Wegner (und damit auch um das gesamte, gleichwohl immer noch existente Jonet selbst): Der Internet-Theoretiker und -Praktiker war zum Chefredakteur von Focus Online befördert worden und hatte andere Prioritäten. Fast fünf Jahre machte Wegner den Job als Burdas gleichsam Erster Online-Journalist; zudem war er Geschäftsführer von Tomorrow Focus Media. Zuletzt lancierte er mit Nachrichten.de einen Google News-Antipoden mit Einnahmebeteiligung für Publisher und zog Focus Online noch im letzten Juli ein eiskalt-kristallklares Layout über. Nur zur Reichweite von Konkurrent Spiegel Online schloss er niemals auf.

Eine Plattform für iPad-Publizistik
Nun bricht der 40-Jährige - über den kurioserweise kein Wikipedia-Eintrag existiert, was nicht für die Online-Enzyklopädie spricht - zu neuen Ufern auf. Zusammen mit dem Software-Entwickler, Manager und Unternehmer Marco Börries (StarOffice, Yahoo! Go) will er eine Plattform erbauen, die journalistische Inhalte auf das iPad und später auch auf andere Tablets bringt. Mit anderen Worten: Das manchmal allzu heilsgläubig klingende Gerede über die Zukunft journalistischer (Bezahl-) Inhalte auf Touchscreen-Geräten sollte man jetzt doch etwas ernster nehmen, wenn einer wie Wegner sich im Team mit dem Deutsch-Kalifornier Börries darauf verlegt.

Und was bedeutet die Personalie für den Offenburg-Münchner Großverlag? Nichts Gutes, kommentiert FAZ-Netzökonom Holger Schmidt: "Nach Uli Hegge (blieb nur ein Jahr als Leiter des Media Innovation Lab, d. Red.) kommt Burda/Tomorrow Focus mit Wegner schon der zweite exzellente Web-Kenner in kurzer Zeit abhanden, der zudem als einer der wenigen Journalisten Ahnung von Technik hat." Aber das Burda-Management scheint ohnehin das Vertrauen in die Finanzierbarkeit von Online-Journalismus verloren zu haben.
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