Der Zwei- bis Dreifrontenkrieg der Verlage gegen Google

Madsack Beschwerdeführer beim Bundeskartellamt
(Screenshot)
Zoom
 + 
Madsack Beschwerdeführer beim Bundeskartellamt
(Screenshot)
Lange hat es gedauert, aber inzwischen blasen deutsche Verleger zum Generalangriff auf Google. Nach der Eröffnung des Verfahrens beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) ist die zweite Front eröffnet: Eine Wettbewerbsbeschwerde beim Bundeskartellamt.

Im Zentrum beider Fälle steht das seit 1. August 2013 gültige Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Während die Verwertungsgesellschaft VG Media, zu deren Gesellschaftern Axel Springer, Funke und zehn weitere Zeitungsverlage gehören, vor der DMPA-Schiedstelle die Zahlung einer angemessenen Vergütung für die Vewendung von Snippets durchsetzen will, soll das Bundeskartellamt entscheiden, dass Google seine Marktmacht missbraucht - indem es sich eben weigert, die geforderten Lizenzgebühren zu zahlen und den Verlagen statt dessen ein Delisting - also die Herausnahme ihrer Angebote aus dem Index der Suchmaschine - anbietet.

Drohung als Marktmissbrauch
In den Augen der Verlage ist das eine Drohung, wie Thomas Dülfert, Vorsitzender der Konzerngeschäftsführung der Madsack Mediengruppe, in einer Pressemitteilung erklärt. Das Verlagshaus in Hannover ist eine weiterer der zwölf VG-Media-Gesellschafter, die "stellvertretend für die Presseverleger" das Kartellamt anrufen:
"Madsack hat im vergangenen Jahr von Google eine schriftliche Aufforderung erhalten, auf die Durchsetzung unseres soeben durch den deutschen Gesetzgeber gewährten Presseleistungsschutzrechtes ganz zu verzichten und zu erklären, keine Vergütungsansprüche gegen Google geltend zu machen. Andernfalls würde Google, als deutschland- und weltweit größter Betreiber von Suchmaschinen, unsere digitalen verlegerischen Angebote auslisten. Für uns ist diese Drohung eindeutig ein Marktmissbrauch, denn bei einem Fast-Monopolisten wie Google ausgelistet zu werden und damit nicht mehr sichtbar zu sein, hat weitreichende Folgen. Wir Verlage sind ein Garant der Meinungsbildung und damit für die Demokratie in Deutschland – diese wichtige Funktion von Tageszeitungen sollte nicht zugunsten von Google oder anderen Suchmaschinen gefährdet werden."
Mit einer ähnlichen Argumentationslinie - Marktmissbrauch - bei anderer Sachlage zieht just auch der Buchhandel Amazon vor das Bundeskartellamt. In beiden Fällen geht es darum, wie Verlage ihre alten Geschäftsmodelle gegen neue Online-Giganten behaupten können. Denn die Printverlage wollen weder auf Google verzichten, noch darauf, Tantiemen für das kostenlose Listing zu kassieren. Die Munition für diese auf den ersten Blick unziemliche Forderung soll ihnen das Leistungsschutzrecht bieten.

Fragt sich nur, wie scharf dieses Munition ist. Denn ob jene Snippets - Googles automatisiert erstellte Textausschnitte - tatsächlich vom Leistungsschutz erfasst werden, müssen erst einmal Gerichte entscheiden; der Gesetzgeber hat sich um eine klare Definition herumgedrückt.

Marktführer Google
Fraglos ist dagegen, dass Google gerade in Deutschland eine erdrückende Marktführerschaft besitzt. Über 90 Prozent aller Suchen laufen über Google. Es stimmt auch, dass Googles Suchdienste zwar kostenlos sind, der kalifornische Konzern aber seine Trefferlisten erfolgreich vermarktet. Die Beteiligung der Verlage an Googles Werbeeinnahmen und gemeinsame Vermarktungs-Aktivitäten könnten aber den Weg zu einer gütlichen Einigung öffnen. In Belgien und Frankreich musste Google unter dem Eindruck von Urheberrechts-Klagen und einer drohenden Besteuerung schon einlenken.

Bisher zeigt sich der Konzern allerdings von der Drohkulisse, die das deutsche Leistungschutzrecht aufbaut, sichtlich unbeeindruckt. Nur gibt es noch eine dritte Front gegen Google: die europäische. Der Europäische Gerichtshof hatte im Mai Google verpflichtet, persönliche Daten aus seinem Index zu löschen und damit der Suchmaschine eine inhaltliche Verantwortung für Suchergebnisse zugerechnet. Dabei geht es zwar um die Anwendung europäischen Datenschutzrechts, aber generell scheint die Rechtsprechung im alten Europa dem Geschäftsgebaren von Google nicht gerade zugeneigt zu sein.

Verwirrte Verlage und Ausbeuter
Wie jubelte Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart kürzlich in einem Gastbeitrag im FAZ-Feuilleton? "Die Zeit zum Losschlagen ist gekommen. Die Politik vibriert, der Europäische Gerichtshof ist willig, die Verlage haben die Phase ihrer Verwirrung überwunden." Ob Steingart damit die VG-Media-Verlage meinte, bei denen das Handelsblatt nicht mittut, steht allerdings auf einem anderen Blatt. In seinem FAZ-Essay schrieb Steingart nämlich auch:
"Viele Medienhäuser klagen heute über die Datenkrake Google, allerdings nicht in emanzipatorischer Absicht, sondern mit dem Vorsatz, selbst in den Besitz der Kundendaten zu gelangen. Dabei bleibt die Ausbeutung der Datenminen auch dann eine Ausbeutung, wenn Döpfner und andere die Schaufel führen. Die Kundendaten gehören dem Kunden, Persönlichkeitsschutz und Eigentumsbegriff des Grundgesetzes gebieten die Rückübertragung der Souveränität. In einer großen Koalition von Autoren und Lesern, von Verlagen und ihren Kunden läge die Stärke der Google-kritischen Bewegung."