Warum ruft Christian Wulff eigentlich nur bei Kai Diekmann an?

In eigener Sache: Bild über Wulff
Screenshot: Netzpresse
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In eigener Sache: Bild über Wulff
Screenshot: Netzpresse
Zeitungsleute kennen das. Da hat man einen Artikel über das Jubiläumsfest des Kleintierzüchtervereins geschrieben, und am nächsten Tag beschwert sich der Gemeindevorsteher, dass man ihn nicht erwähnt habe. Ja, der Mann kündigt sogar an, nicht mehr mit einem reden zu wollen. Frechheit! Als Journalist sucht man dann Trost bei seiner Gewerkschaft, wo einem der Ortsverbands-Vorsitzende womöglich noch zustimmt, dass die Pressefreiheit in Gefahr sei.

Nur der Bundespräsident hat noch nie persönlich angerufen und sich beschwert. Hier jedenfalls noch nicht. Das liegt daran, dass ein deutscher Staatschef sich persönlich nur bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann meldet (ach ja, bei Döpfner und Friede Springer soll er auch angerufen haben). Und wenn der pomadige Bild-Boss gerade nicht da ist, dann spricht ein Christian Wulff seine Tirade sogar auf dessen Anrufbeantworter. Auch Bundespräsidenten sind nur Menschen.

Lauter Fehler
"Ein Fehler lag schon darin, den Chefredakteur von Bild überhaupt nur anzurufen; so etwas tut ein Bundespräsident nicht. Ein zweiter Fehler lag darin, sich mit drohendem Ton auf einer Mobilbox zu verewigen", schreibt nun besserwisserisch Wulffs Heimatzeitung HAZ. Und auch der Deutsche Journalisten-Verband hat sich gemeldet: "Prominente müssen sich kritische Berichterstattung als Teil der Meinungsfreiheit gefallen lassen", erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. "Das müsste niemand besser wissen als der erste Mann im Staat."

Müssen Zeitungen sich jetzt wirklich als PR-Coaches gerieren und Haltungsnoten für schlechtes Krisenmanagement geben? Ist tatsächlich die Pressefreiheit in Gefahr, weil ein scheinheiliger Bundespräsident, der eben noch in einer Sonntagsrede die Informationsfreiheit gepriesen hat, in eigener Sache ganz anders handelt? Muss man die Bild-Zeitung jetzt in Schutz nehmen? Ist Wulff ein deutscher Putin?

Nachdenken in eigener Sache
Wahrscheinlich haben die Kommentatoren Recht: Dieser Bundespräsident hat sich unmöglich gemacht. Jenseits staatstragender Meinungsartikel sollten die Leute in den Zeitungsstuben aber nicht nur über die Moral des Staatsoberhauptes, sondern auch über den Ethos im eigenen Berufsstand nachdenken. Was für eine Beziehung zur Bild-Zeitung hat Wulff eigentlich gepflegt, deren "endgültigen Bruch" er Diekmann auf der als Transskipt geleakten Anruf-Aufzeichnung androhte, was Bild wiederum erst spät bestätigt hat? Warum machte der Präsident später dann einen Rückzieher und bedauerte den Anruf gegenüber Diekmann?

Die Antwort ist: Weil ein Bundespräsident, der aus demselben Bundesland wie ein gewisser "Bild, Bams und Glotze"-Bundeskanzler kommt, eben nur zur Bild-Zeitung geht. Bei allen anderen ruft höchstens mal der Gemeindevorsteher an. So viel zur Macht der Presse.