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"Kultur der Fairness": Die taz sucht zahlende Leser auf freiwilliger Basis

Hinter dem
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Hinter dem "taz zahl ich!"-Button verbergen sich fünf verschiedene Zahlungs-Möglichkeiten. Zudem können taz-Artikel weiterhin geflattert werden.
Foto: Screenshot
Die Berliner Tageszeitung hat für ihre kostenlose Online-Ausgabe einen eigenen Spenden-Button eingeführt. Mit der begleitenden Kampagne "taz zahl ich" versucht die Zeitung, "das Prinzip des Freiwilligen Bezahlens auf taz.de als neue Säule der Finanzierung unseres Online-Angebotes zu etablieren", so taz.de-Chefredakteur Matthias Urbach. Im Gegenzug wolle man auf eine Paywall verzichten.

Doch eine Bezahlmauer wäre wohl kaum eine realistische Option für taz.de. Selbst aus Sicht einer reichweitestarken internationalen Medienmarke wie der New York Times ist eine Paywall ein Experiment mit ungewissem Ausgang.

Freiwillig passt zur taz
Ein freiwilliges Bezahlmodell passt dagegen ganz gut zur taz, schließlich setzt sie im Print schon seit Jahren auf ein flexibles Abo-Modell: Abonnenten können hier frei unter drei verschiedenen Monats-Preisen wählen und damit selbst entscheiden, wieviel sie bezahlen können und wollen.

Auch mit den völlig freiwilligen Zahlungen im Netz hat die taz schon Erfahrungen gesammelt. Im Mai 2010 setzte sie bereits den Flattr-Button unter ihre Artikel. "So laufen schon jetzt monatlich rund 1.700 Euro an freiwilligen Zahlungen im Monat auf verschiedenen Wegen in Beiträgen von einem Cent bis 100 Euro bei der taz ein – ohne, dass wir jemals groß dafür geworben hätten", schreibt Urbach.

Doch um wirklich eine zweite Finanzierungs-Säule aufzurichten, sind ganz andere Beträge notwendig. Mit der anderen Säule, der Online-Werbung, spielte taz.de im letzten Jahr nach eigenen Angaben eine Viertelmillion Euro ein - knapp die Hälfte der Kosten für den Online-Auftritt.

Die Herausforderung besteht nun darin, dass die gewiss Kampagnen-erprobte taz ihre wachsende Online-Nutzerschaft tatsächlich zu freiwilligen Zahlungen mobilisieren kann. Allerdings kommen viele dieser Online-Nutzer - im März wurden erstmals mehr als sechs Millionen Besuche auf taz.de gezählt - nicht mehr aus der ebenfalls Kampagnen-erprobten Stammleserschaft. Dafür sind Internet-Nutzer aber den kostenlosen Zugang gewohnt, auch von anderen Online-Tageszeitungen.

Eine kleine Spende ...
Der "Gratis-Kultur" wolle man nun eine "Fairness-Kultur" entgegensetzen, schreibt Urbach. Das Wort "Spende" kommt in seinem Text über die "taz zahl ich!"-Kampagne gar nicht mehr vor. Vielleicht ist das kein Zufall. Denn wenn die neue Anti-Paywall der taz ernsthaft funktionieren soll, dann genügen keine Spenden im Sinne von milden Gaben mehr und auch keine Umverteilung von Blogger-Geldern "an eine Handvoll großer Blogs oder die taz" (Sascha Lobo im Juli 2010 über Flattr).

In den USA können einzelne journalistische Websites wie ProPublica tatsächlich von Spenden leben. Dahinter stehen aber reiche Geldgeber und Stiftungen. In Stuttgart hat der Journalist Josef-Otto Freudenreich gerade eine Internet-Wochenzeitung gegründet (die auch eine gedruckte taz-Beilage produziert) und dafür 200.000 Euro Starthilfe von einigen prominenten Geldgebern aus dem Ländle gesammelt.

Die taz möchte dagegen eine zweite Finanzierungs-Säule mit Micropayments schaffen. Um auf diese Weise tatsächlich eine Redaktion zu unterhalten, müssten die Einnahmen aus freiwilligen Zahlungen nicht nur steigen, sondern auch regelmäßig fließen. Das klingt utopisch, aber mit Utopien kennt sich die taz, die 1978 als alternatives Zeitungsprojekt in Berlin gegründet wurde, ja zugegebenermaßen aus.
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