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Nackt im Internet: Zeitungsverleger streben nach Leistungsschutzrecht

Es ist erschütternd, geradezu Tränen rührend. "Schutzlos ausgeliefert im Internet" seien die Zeitungsverleger, ganz "nackt" stünden sie da, schrieb der Berliner Rechtsanwalt und Honorarprofessor Jan Hegemann kürzlich in der FAZ. Über 14 Absätze hinweg kredenzte der Medienrechtler dem verwunderten Leser einen ungeschüttelten Jura-Cocktail aus Online-Artikelklau, Googles News-Ausschnitten und der lapidaren Erkenntnis, journalistische Websites könnten "nach der Mechanik des Internets offenbar fast nur gratis erfolgreich verbreitet werden". Quintessenz: Die deutschen Verlage brauchen nach britischem Vorbild mehr Rechte.

Hegemanns Plädoyer passt gut in die Landschaft. Nachdem sich Bezahlmodelle nicht durchsetzen konnten, versuchten die Verleger, "zumindest die Exklusivität ihrer Inhalte im Web zu sichern", schrieb die Financial Times Deutschland. Springer-Chef Mathias Döpfner orakelte im Spiegel geheimnisvoll, der "Copypreis der Zukunft" sei das Copyright und sah "den Gesetzgeber gefragt". Ein Leistungsschutzrecht, wie es die Musikindustrie bereits genießt, soll es richten.

Das Urheberrecht liegt bei den Autoren
Zu dumm, dass es in Deutschland ein Urheberrecht gibt, das bei den Autoren liegt und nicht bei den Verlegern. Diese Rechtslage mache die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen schwierig, argumentiert Hegemann. Das mag im Einzelfall stimmen. Die vorgebliche Sorge um die Journalisten ("Wie aber können Verlage und Journalisten ihr geistiges Eigentum im Netz schützen und an seiner wirtschaftlichen Verwertung angemessen beteiligt werden?", fragt Hegemann) wäre allerdings wesentlich glaubwürdiger, würden die Verlage nicht seit Jahren versuchen, sich alle Verwertungsrechte von den Autoren mit Total-Buyout-AGBs zu sichern. Motto: "Unterschreib oder stirb!"

Doch Hegemann geht es allein um das Wohl der Verlagsbranche. Deshalb muss er auf Teufel komm raus eine Analogie zwischen Presse und Musikbranche herstellen. Nur stimmt es eben nicht, dass die Zeitungsverlage unter der Artikel-Klau ächzen wie die Plattenfirmen unter dem MP3-Tausch. Und auch Google eignet sich trotz seiner beherrschenden Marktstellung nicht als Oberschurke - so oft das auch in der FAZ mit klassenkämpferischem Vokabular ("Enteignung!") behauptet wird.

Schließlich ließe sich Google durch ein simples "NOINDEX"-Tag im HTML-Seitenkopf ausschließen. Das wissen auch die klugen Köpfe aus Frankfurt. Aber sie tun's nicht, weil sie auf den Traffic des Suchmaschinen-Giganten nicht verzichten wollen.

Wahre und vorgeschobene Probleme
Nein, das wahre Problem ist weder Content-Piraterie noch deren Verfolgung. Es ist hausgemacht. Für lau haben die Verlage ihre Inhalte ins Internet gestellt, obwohl sie niemand dazu gezwungen hat. Und jetzt, wo die Einnahmen aus Bannerwerbung stagnieren, wundern sie sich, warum sie kein Geld mehr verdienen, derweil Google mit seinen Kontext-Anzeigen die restlichen Werbebudgets "abschöpft" (Hegemann durchaus treffend).

Die Verlage haben fürs Internet keine richtige Zukunftsstrategie. Sie wissen auch nicht genau, wie sie künftig Journalismus bezahlen sollen. Es ist wirklich zum Heulen.
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