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Weihnachten für Verlage: Der Leistungsschutzrechts-Entwurf erfüllt alle Befürchtungen

Zweieinhalb Jahre nach der Verankerung im Koalitionsvertrag hat das Bundesjustizministerium schließlich den Referentenentwurf für ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger (PDF-Download, zuerst veröffentlicht von irights.info) vorgelegt. Mit der Vorlage dürfte sich Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bei der sogenannten Netzgemeinde die Anerkennung, die sie mit ihrem Eintreten gegen Internetsperren oder die Vorratsdatenspeicherung gewonnen hat, endgültig verscherzt haben.

Tatsächlich nährt der Entwurf aus ihrem Hause - eine Erweiterung des Urheberrechts-Paragrafen 87 - all jene Befürchtungen, die Gegner des Leistungsschutzrechts im Netz seit Jahren an die Wand gemalt haben. Konkret sieht er vor, dass Verlagsinhalte ein Jahr lang ab Veröffentlichung geschützt sind - für eine gewerbliche Nutzung müssen in diesem Zeitraum Lizenzgebühren gezahlt werden. "Für manche Verleger ist das wie Weihnachten", kommentiert Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung.

Google und die Inhalte-Klauer
Ursprünglich war das Leistungsschutzrecht auch als "Lex Google" bezeichnet worden: Die Verleger wollten von der Suchmaschine Geld dafür kassieren, dass diese mit Snippets, also Artikel- und Bildschnippseln, ihre Ergebnislisten und den Aggregator Google News bestückt und dazu noch Werbung schaltet. Google taucht zwar namentlich in dem Entwurf nicht auf, sehr wohl aber ein anderes Argument der Verlage, die geltend machen, keine Handhabe gegen Inhalte-Klau im Internet zu haben: Das Urheberrecht, das bei den Autoren liegt, reiche da nicht.

Im Gesetzesentwurf, der auch Urheberrechts-freie Inhalte schützen will, heißt es nun, das neue Schutzrecht solle den Verlagen ermöglichen, "einfacher und umfassender gegen Rechtsverletzungen im Internet vorzugehen". Auch will das Justizministerium Sorge tragen, dass die Verleger "im Online-Bereich nicht schlechtergestellt sind als andere Werkvermittler". So haben etwa Musikverlage in Deutschland ein Leistungsschutzrecht, die Presse aber nicht.

Ohne Absprache mit den Urhebern
Bei der künftigen Wahrung ihrer Interessen möchte es das Justizministerium den Verlagen möglichst leicht machen: "Die praktische Bedeutung wird vor allem darin liegen, dass Verlage künftig ohne Probleme und ohne Absprache mit Autoren Urheberrechtsverletzungen einklagen können", schreibt Prantl.

Wesentlich größere Auswirkungen prophezeit das Internet-Portal iRights.info, sollte der Entwurf Realität werden: "So wie er formuliert ist, trifft der Entwurf die gesamte deutsche Wirtschaft, jeden Freiberufler oder sonstige Berufstätige und unter Umständen sogar solche, die es noch werden wollen", lautet dort das Fazit einer Analyse des Rechtsanwalts Till Kreutzer.

Rechtliche Grauzone
Tatsächlich legen die Autoren des Entwurfs bei der Abgrenzung des Leistungsschutzrechts einen gefährlichen Seiltanz hin. Sie versäumen es, das Leistungsschutzrecht klar vom Zitatrecht abzugrenzen. Die Freiheit des Zitats soll ja weiter gelten, und Links sind nach höchstrichterlichem Urteil ohnehin frei. Nur wann wird aus einem Zitat ein Snippet? "Das Leistungsschutzrecht schützt bereits kleine Teile des Presseerzeugnisses", schreiben die Autoren des Entwurfs.

Es ist diese Grauzone, die dafür sorgt, dass das Leistungsschutzrecht - wenn es denn so kommt (und wenn es überhaupt noch in dieser Legislaturperiode kommt) - einen wichtigen Anspruch verletzt, den es selbst formuliert: "Der Informationsfluss im Internet wird
durch die vorgeschlagene Regelung nicht beeinträchtigt."


Der Lawblogger (und Rechtsanwalt) Udo Vetter sieht deshalb in dem Entwurf "ein Konjunkturprogramm für Rechtsanwälte". Vetter glaubt gar, dass die Verlage längst nicht mehr das große Google im Visier haben, sondern bei den Kleinen abkassieren wollen: Blogger, Facebook-Nutzer und Twitterer, die sie - ähnlich dem Vorgehen der Film- und Musikindustrie gegen Filesharer - mit einer Abmahnwelle überziehen würden.

Auch die Begründung zum Gesetzesentwurf geht auf die Belange der Blogger ein. Die Autoren verteilen sogar ein Bonbon: Blogger, die regelmäßig journalistische Inhalte publizieren, sollen demnach wie Verleger vom Leistungsschutzrecht profitieren.

Angemessen für Journalisten?
Und was ist mit den Journalisten, die doch schon ihr Urheberrecht und damit ein viel mächtigere Gesetzesschranke haben? An die Urheber wurde im Referentenentwurf auch gedacht: Sie sollen von den Verlagen an den Vergütungen "angemessen" beteiligt werden.

Ob das für die Journalisten ein echter Grund ist, um Seit' an Seit' mit ihren Verlegern das Leistungsschutzrecht zu begrüßen, steht freilich auf einem anderen Blatt: Bis heute zahlen die meisten Verlage freien Autoren keine "angemessenen" Honorare, obgleich dies schon vor zehn Jahren im Urhebervertragsrecht vorgesehen war.
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