Wer wird, so fragt sich die Medienszene in Deutschland, Nachfolger von Rudolf Augstein? Die Spekulationen schießen ins Kraut: Wird Aust seine Position zementieren? Kommen die talentierten Kinder Franziska und Jakob? Bajut Gruner + Jahr seine Basis aus? Die Nachfolge-Frage ist gewiss reizvoll, aber sie beruht auch auf einer Verwechselung von Ross und Reiter, der der verstorbene Publizist offenbar selbst erlegen war.
Produkt der Nachkriegszeit
Augstein hat mit dem
Spiegel, seinem Kind, wie kein anderer die politische Berichterstattung der Bundesrepublik geprägt. Das lässt sich, ohne in den Nachruf-Pathos der letzten Tage zu verfallen, nüchtern konzedieren. Seine prägende Rolle konnte das
"Hamburger Nachrichtenmagazin" aber nur spielen, weil es von seiner Zeit geprägt wurde. Als vor 40 Jahren die Spiegel-Affäre die Grundfesten der Republik erschütterte und die junge Demokratie stand hielt, da ging, wie Augstein später selbst gesagt hat, die Nachkriegszeit in Deutschland zuende.
Der Spiegel war also das Produkt einer Epoche, die sich (hoffentlich) so bald nicht mehr wiederholen wird. Die Zeiten haben sich geändert, und mit ihr auch die Zeitschriften-Macher. Einen wie Augstein kann und wird es nicht mehr geben. Deshalb ist die Frage nach dem Nachfolger auch falsch gestellt. Ein neuer Augstein wird nicht mehr kommen. Es geht nicht mehr um den Reiter, sondern um das Ross: Wer bekommt was vom Spiegel und wie wirkt sich das publizistisch aus?
Sicher scheint im Augenblick nur, dass die Erben in Zukunft
nichts mehr zu sagen haben werden: Sie sollen - so hat es Augstein selbst angelegt, um den Verlag gleichsam vor seinen Nachkommen zu schützen - ihr Vetorecht, für das eine Anteilsminorität von 25 Prozent notwendig ist, verlieren.
Austs große Schuhe
"Nach ihm kann und wird es keinen Herausgeber geben, der diesen Titel verdient. Die Schuhe sind zu groß. Sie sich anzuziehen wäre eine Anmaßung", schreibt Stefan Aust in seiner Hausmitteilung zum Spiegel Nr. 46/2002. Das klingt nach einer Hommage an Augstein, könnte aber auch, wie der Ex-Spiegel-Mann Leyendecker in der Süddeutschen spekuliert, eine Kampfansage bedeuten: Einen Herausgeber neben sich will der Chefredakteur künftig nicht mehr dulden.
Sollte die Zukunftsfrage des Spiegels zu Machtkämpfen in Verlag und Redaktion führen, so trüge die Schuld daran niemand anders als Rudolf Augstein. Er hat sein Haus durchaus nicht so überlegen bestellt, wie der erste Eindruck glauben machte. Der
"Jahrhundertjournalist" hat bei der Nachfolge-Frage versagt, weil er sich selbst keine Nachfolger für sich vorstellen konnte. Damit hat er, wie alle kleinen großen Menschen von Eitelkeit nicht frei, Ross und Reiter verwechselt.