Wenn es überhaupt etwas Positives an der Feilscherei um die Verkäugflichkeit des
Tagesspiegels und die Ministererlaubnis für
Holtzbrinck zum Erwerb der
Berliner Zeitung gibt, dann ist es der Umstand, dass plötzlich wieder alle Welt von redaktioneller Freiheit redet. So zeigte sich der
Heinrich-Bauer-Verlag bei der Anhörung im Bundeswirtschaftsministerium bereit, alle Bestandserklärungen für eine unabhängige Fortführung des Tagesspiegels einzuräumen, die auch Holtzbrinck abgibt. Die Stuttgarter ihrerseits legten einen drauf und boten eine Bestandsgarantie von 20 Jahren. Die verunsicherte Tagesspiegel-Redaktion wird's gerne hören.
Der als öffentlichkeitsscheu geltende Verleger Heinz Bauer war persönlich nach Berlin gereist, um 20 Millionen Euro für das defizitäre Blatt zu bieten, dass nach Lesart seines Eigentümers Holtzbrinck unverkäuflich - weil nur im Anzeigen- und Vertriebsverbund mit der Berliner Zeitung finanzierbar - ist. Verleger Stefan von Holtzbrinck bezeichnete Bauers Angebot als
"unseriös" und warf ihm vor, nur kurzfristig am Tagesspiegel interessiert zu sein.
Ministererlaubnis als Politikum
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement kündigte schon zu Beginn der Anhörung eine schnelle Entscheidung an und versicherte, er sei in keiner Richtung festgelegt. Je mehr sich allerdings Bauer, der zugegebenermaßen als Verleger von Qualitätszeitungen keinen Ruf hat, engagiert, umso fraglicher erscheint, wie Holtzbrinck seine Argumentation halten möchte, der Tagesspiegel sei unverkäuflich und das Angebot aus Hamburg
"unseriös".
Vor diesem Hintergrund wäre eine ministerielle Entscheidung pro Holtzbrinck, die das Verbot des Bundeskartellamtes aus den Angeln heben würde, ohne Zweifel ein Politikum. Bestrebungen, das Kartellrecht für Zeitungen zu lockern, kämen bei einer zügigen Bearbeitung zu spät. Doch für Clement, der das Verfahren bisher klug verzögert hat, gibt es nun wohl kein Zurück mehr.