Am Freitag stimmt der ZDF-Verwaltungsrat in Berlin darüber ab, ob der im März 2010 auslaufende Vertrag von Chefredakteur Nikolaus Brender um weitere fünf Jahre verlängert wird. Die "schwarze" Ratsmehrheit will das verhindern - und hat damit einen für sie erstaunlichen Sturm der Entrüstung losgetreten, woran der als Mainzer Gutsherr auftretende hessische Ministerpräsidenten Roland Koch unbestrittene Verdienste hat.
Schon im Jahresverlauf gab es unzählige Solidaritätsbekundungen für Brender, dessen Unbeugsamkeit - mit Ausnahme von Friedrich Küppersbusch - allerorten gepriesen wurde. Damit nicht genug: Kurz vor dem Showdown formierten sich 35 renommierte Verfassungsrechtler in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und warnten vor dem "offenkundigen Versuch, einen unabhängigen Journalisten zu verdrängen und den Einfluss der Parteipolitik zu stärken". Und schließlich veröffentlichten namhafte Blogger eine Online-Resolution, als ob Brender ein Abmahn-Opfer wäre.
Gewohnheitsrecht der Politiker
Tatsächlich ist der ZDF-Chefredakteur eine weitere Figur im Posten-Geschachere des öffentlich-rechtlichen Systems. Ohne Parteien-Proporz wäre er vor neun Jahren auch nicht in diese Position gewählt worden. Nun wollen die Kochs, Stoibers und Müllers ihn nicht mehr haben. Wahrscheinlich halten sie das ja für ihr Gewohnheitsrecht: "Wie bei keiner anderen Rundfunkanstalt haben es die Länder beim ZDF verstanden, ihre Machtinteressen in Paragraphen zu gießen", schrieb kürzlich der NDR-Justiziar Werner Hahn in einem Gastbeitrag der FAZ.
Sich darüber aufzuregen, ist berechtigt, auch wenn speziell die Aufregekultur des Internets manchmal überbordend ist - und längst über die Person Brenders hinweggerollt. "Ich hoffe, dass Nikolaus Brender am kommenden Freitag keine Mehrheit im Verwaltungsrat bekommt", bloggte der bekannte Medienjournalist Stefan Niggemeier eiskalt. Er wünscht sich eine Eskalation: Intendant Markus Schächter müsse "in diese Auseinandersetzung mit den Partei- und Regierungsvertretern gezwungen werden - und zur Aufgabe des traditionellen Konsens mit diesen Leuten."
Kaplan und Jesuit
Auch der laut IVW-Abrufzahlen meistgelesene Online-Branchendienst Meedia ("Vergesst Brender") kommentierte messerscharf, Brenders Abgang könne der "Diskussion sogar nutzen". Nun diskutieren wir ja im Internet bekanntlich gern und viel; aber ob die Herren Räte da mitdiskutieren wollen?
Ein Rechercheur wie Hans Leyendecker versucht sich da lieber an einer journalistischen Rekonstruktion: Brender hat also Koch den Handschlag verweigert, inzwischen schütteln sie sich aber wieder Hände. ZDF-Intendant Markus Schächter, der sich nicht davon abhalten lässt, Brender für eine neue Amtszeit vorzuschlagen, sei "auch Katholik wie Brender, aber kein Jesuit, sondern eher ein phänotypischer Kaplan"; und Kurt Beck kann sich das alles sowieso nicht erklären. Wer hätte das gedacht?
Wirklich erhellend ist auch dieses Recherchewerk nicht, denn es demonstriert nur, wie das System eben ist: Es gehorcht der Farbenlehre. Wird sich das ändern, wenn Brender - wie Leyendecker prophezeit - am Freitag mit 9:5 Stimmen abgesägt wird? Wird der Kaplan Schächter dann tatsächlich, wie es die Eskalationsstrategen prophezeien, als Racheengel vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, auf dass Karlsruhe unser ganzes, prächtiges Rundfunksystem mit seinen poltitisch fein austarierten Gremien in Schutt und Asche legt?
Mal überlegen. Außer Jürgen Doetz kann das doch wirklich niemand wollen.