Nach dem Heidelberger Appell und der Hamburger Erklärung nun also: die Berliner Rede. Keine Atempause, Geschichte wird gemacht in Sachen Urheberrecht. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger versuchte vor der Berliner Akademie der Wissenschaften so etwas wie eine grundsätzliche Verortung zum sogenannten Dritten Korb der Urheberrechts-Novelle. Das Echo auf ihre Rede: durchwachsen.
Der Schutz der Autoren werde auch weiterhin das wichtigste Ziel des Urheberrechts bleiben, kündigte die FDP-Politikerin an. Das freut etwa den Deutschen Journalisten-Verband, der die "klaren Worte" der Ministerin lobte. Geherzt durfte sich aber auch die Verwertungs-Industrie fühlen, die Leutheusser-Schnarrenbergers Absage an eine "Open Culture" - "Filesharing und Sharehosting sind keine politischen Statements" - gerne vernahm. Die Ministerin mahnte aber auch mit freidemokratischer Verve: "Wir wollen keine Schonräume schaffen für Geschäftsmodelle, deren Zeit abgelaufen ist."
Versteckte Drohung
Für die Provider hielt die liberale Dame sogar eine versteckte Drohung bereit: Sie sollten "mehr Verantwortung für den Schutz des Urheberrechts übernehmen", statt die Verantwortung allein auf die User abzuschieben. Denn: "Es liegt auf der Hand, dass ansonsten der Ruf nach Regulierung lauter werden wird."
Künftig könnten Surfer Warnhinweise von ihrem Provider eingeblendet bekommen, wenn sie illegale Seiten besuchen, schlug Leutheusser-Schnarrenberger vor. Dies müsse aber "ohne Inhaltskontrolle und Datenerfassung" realisiert werden.
Keine finanziellen Wunder
Freuen dürfen sich auch die Verlage, aber nicht zu sehr. Das von der Branche gewünschte Leistungsschutzrecht wird kommen. Es sei "nicht fair, wenn allein mächtige Internetplattformen an Werbung verdienen, für die andere mit ihren Inhalten erst den Markt bereiten", befand die Ministerin, weshalb wohl Handelsblatt-Medienredakteur Hans-Peter Siebenhaar schon einmal jubilierte: "Ende der Freibeuterei von Google & Co" - endlich spreche der Gesetzgeber "ein Machtwort".
Allerdings warnte die Ministerin zugleich, vom Leistungsschutzrecht seien "finanzielle Wunder" nicht zu erwarten. Es könne "kein Allheilmittel für die Strukturveränderungen des Marktes sein". Zudem gehe es nicht darum, "den Informationsfluss im Internet zu beschneiden". Es werde zum Beispiel kein Verbot der Verlinkung geben.
Was der Leistungschutz nicht leistet
Vielleicht ist es kein Zufall, dass die Ministerin vor allem beschrieb, was das neue Leistungsschutzrecht NICHT leisten wird. Dagegen mangelte es an positiven Aussagen, obwohl seit der Koalitionsvereinbarung der schwarzgelben Regierung schon viele Monate und noch mehr Statements des Springer-Leistungsschutz-Lobbyisten Christoph Keese ins Land gegangen sind.
"Wie so ein Leistungsschutzrecht im Detail aussehen kann, ist offen", befand Leutheusser-Schnarrenberger, verkaufte diese Unentschlossenheit aber als Tugend: In einem "intensiven Dialog mit allen Beteiligten" wolle sie für alle Fragen des Urheberrechts Lösungen finden. Dann mal los: Für den 28. Juni hat das Bundesjustizministerium eine Anhörung zum Leistungsschutzrecht anberaumt, weitere Termine etwa zu den Themen Open Access und verwaiste Werke ("orphan works") folgen bis in den Herbst hinein.
Wenig Jubel erntete Leutheusser-Schnarrenberger bei Internet-Kommentatoren. Während der Ministerin bei Carta attestiert wurde, "den Spagat zwischen einem liberal verstandenen wettbewerbsneutralen Urheberrecht, dem Schutz der Urheber und der Nutzer" zu versuchen, rüffelte Netzpolitiker Markus Beckedahl beim Live-Bloggen, das Thema Wissenschaft und Bildung sei ebenso zu kurz gekommen wie die Belange der Verbraucher. "Leutheusser-Schnarrenberger hat die Chance vertan, eine wegweisende Rede für das Urheberrecht in der digitalen Gesellschaft zu halten."