Demonstratives Votum für Sportkoordinator Boßdorf

Die ARD hat den Vertrag mit ihrem Sportkoordinator Hagen Boßdorf bis zum Jahr 2012 verlängert. Gegen die Personalie hatte sich in den vergangegen Monaten in Zeitungsartikeln und von Journalistenverbänden heftiger Widerstand gebildet. Vorgeworfen wurde Boßdorf, es bei der Radsport-Berichterstattung und mit seiner Tätigkeit für Sponsoren an journalistischer Distanz und damit Glaubwürdigkeit vermissen lassen zu haben.

Unerwünschte Einmischung
Doch scheint es, dass die Sägearbeiten an Boßdorfs Stuhl bei dem Senderverbund, der bisweilen die Mentalität einer öffentlich-rechtlichen Trutzburg an den Tag legt, genau das Gegenteil bewirkt haben. Je größer der öffentliche Druck wurde, umso demonstrativer schmetterten die ARD-Chefs die unerwünschte Einmischung ab.

Schon der Versuch, die Absetzung des Schwimmsport-Reporters und internen Kritikers Hans-Joachim Seppelt vom RBB mit der ultimativen "Boßdorf muss weg"-Forderung zu verknüpfen, scheiterte vor drei Monaten. Letztlich schadete das Manöver nur Seppelt selbst.

Eine Gegenstimme
Auf der Hauptversammlung in Schwerin erhielt Boßdorf aus der Intendanten-Runde nur noch eine Gegenstimme. Sie stammte wie zu erwarten von Dagmar Reim - ausgerechnet der Chefin seines Haussenders RBB. Geknüpft ist die Vertragsverlängerung allerdings an die Bedingung, dass Boßdorf in einem laufenden Ermittlungsverfahren wegen falscher Versicherung an Eides statt nicht rechtskräftig verurteilt wird.

Bei den Ermittlungen der Hamburger Staatsanwaltschaft geht es um die Tragweite von Boßdorfs Stasi-Mitarbeit in seiner Studentenzeit. Der 42-Jährige hatte deshalb nicht wie zuerst vorgesehen Sportchef des NDR werden dürfen. Die ARD-Intendanten beriefen sich indes bei ihrem Beschluss zur Vertragsverlängerung auf die Unschuldsvermutung. Während des laufenden Ermittlungsverfahrens sei "kein abschließendes Urteil über die DDR-Vergangenheit von Hagen Boßdorf möglich", hieß es.

(Un)journalistisches Signal
Wichtiger als die Stasi-Vorwürfe scheint indes das (un)journalistische Signal, das aus Schwerin tönt: Eine Abkehr von der Sportberichterstattung als Event und Quoten-Ware wird es, so geben die Personalentscheidungen zu verstehen, nicht geben. Dass deren journalistische Protagonisten sich neuerdings in Anti-Doping-Investigatoren verwandeln, muss unglaubwürdig erscheinen. Gerade erst wurde ja bekannt, dass die ARD sogar Jan Ullrich und andere Sportlern über gut dotierte "Mitwirkendenverträge" an sich band. Wen mag das eigentlich noch wundern?

Künftig soll es solche Verträge aber nicht mehr geben, eine eigens geschaffener Clearing-Stelle Sport darüber wachen. Auch die 1999 geschlossene, 2002 ruhende und danach für laut Zeitungsberichten 195.000 Euro jährlich erneut besiegelte Zusammenarbeit mit dem gefallenen Engel Ullrich ist zum Ende 2006 gekündigt. ARD-Programmdirektor Günter Struve übernahm für diesen Kontrakt persönlich die Verantwortung. "Reue bis zum Exzess" bescheinigte dem 66-Jährigen daraufhin schadenfroh die Süddeutsche Zeitung. Vergelt's Gott: Struves Vertrag wurde in Schwerin ebenfalls verlängert, bis 31. Oktober 2008.
Zuletzt bearbeitet 13.09.2006 14:18 Uhr