Der Mann kennt sich mit Nachrichten aus: Als Agent an der sowjetischen Botschaft in London musste Alexander Lebedew Ende der achtziger Jahre für den Nachrichtendienst KGB die englischen Tageszeitungen auswerten. Eine von ihnen hat er nun gekauft: Lebedew, Mitte der Neunziger als Bankier und Anteilseigner der Fluggesellschaft Aeroflot zum Milliardär geworden, übernimmt nicht etwa einen englischen Fußball-Klub, sondern 75 Prozent des schlingernden Londoner Traditionsblattes Evening Standard.
Lebedew ist eine widersprüchliche Figur: Der Oligarch hat sich zum Kreml-Kritiker gewandelt und ist Miteigentümer der Novaya Gazeta, deren 2006 ermordete Korrespondentin Anna Politkowskaja zu einem Symbol für (verfehlte) Pressefreiheit im ehemaligen Sowjetreich wurde. Erst am 19. Januar war eine weitere Mitarbeiterin der Zeitung bei einem tödlichen Anschlag auf einen bekannten Rechtsanwalt in Moskau ums Leben gekommen.
Lebedew ist nicht der einzige reiche Russe, der eine Zeitung im westlichen Ausland übernimmt. In Frankreich hat der Bankierssohn Alexander Pugachew gerade erst das gerichtliche Placet erhalten, die Mehrheit an der Boulevardzeitung France Soir zu übernehmen. Die einstmals größte französische Zeitung und der Londoner Evening
Standard haben eines gemeinsam: Beide sind dringend auf frisches Geld angewiesen.
Gut, um Geld zu verlieren
Auf einer Pressekonferenz erklärte Lebedew nun, er sehe sich auf einer "sozialen Mission", den 181 Jahre alten Evening Standard zu retten. In redaktionelle Belange wolle er sich nicht einmischen. Lebedew sprach aber auch davon, eine internationale Mediengruppe aufbauen zu wollen. Dabei hatte er noch vor einer Woche gegenüber dem Guardian gescherzt, das Zeitungsgeschäft sei "ein guter Weg, um Geld zu verlieren."
Wie dem auch sei: Lebedew kann es sich leisten, auch wenn er nach eigenen Angaben beim letzten Börsen-Crash eine Milliarde Dollar verloren hat. Auf seiner Pressekonferenz in Moskau gab Lebedew weitere finanzielle Details preis: Um Geld in seine neue Zeitung stecken zu können, habe er eine Villa in Italien und einen seiner Privatjets verkauft.
Für den Kauf wäre das allerdings nicht nötig gewesen: Lebedew zahlt angeblich nur ein Pfund an den Vorbesitzer Daily Mail and General Trust.