Am 12. Juni wollen die Ministerpräsidenten der Länder den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag auf den Weg bringen. Das Wortungetüm steht für die novellierte Rundfunkordnung, die im nächsten Jahr in Kraft tritt und das Duale System fit für Internet und Digitalmedien machen soll. Es klingt wie ein Aufbruch in neue Medienwelten, eine große Chance. Doch das Gesetzes-Update droht zum Rohr-Krepierer zu werden.
Wer wissen will, warum die Rundfunkpolitik so ist wie sie ist, muss nur das Interview mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger in der FAZ lesen. Oettinger fällt dort als Beispiel für den Mehrwert, den die ARD im Internet liefern könnte, Folgendes ein: "Sie schauen sich einen 'Tatort' an und wollen mehr über den Drehbuchautor erfahren. Diese Informationen werden Sie bei den Privaten nicht bekommen."
Hinken und ringen
Also spricht der oberste Medienpolitiker der Union. Rundfunkexperten wie Oettinger haben dafür gesorgt, dass sich die Rundfunkpolitik mit Übergangsregelungen und faulen Kompromissen von Gebührenperiode zu Gebührenperiode schaukelt und dabei hoffnungslos der technischen Entwicklung hinterherhinkt. So ringt man schon seit Jahren um Definitionen, wie der Rundfunkbegriff auf neue Medien wie das Internet zu übertragen sei.
Und während die Politiker ringen, schaffen ARD und ZDF mit ihren Internet-Auftritten und Mediatheken Fakten - so klagen vor allem die Verleger, die im Tauziehen um den neuen Staatsvertrag sogar die Privatsender übertönen. Die Print-Herren wollen den Online-Kuchen nicht mit der gebührensubventionierten Konkurrenz teilen - dabei haben sie selbst noch gar kein Geschäftsmodell, das den wegbrechenden Drucksektor durch Online-Erlöse kompensieren würde.
Öffentlich-rechtliche Expansion
Solche Sorgen haben die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht. Sie können sogar expandieren - sofern es ihnen gelingt, einen Bedarf zu schaffen, der dann durch Gebührengelder gedeckt werden muss. Das ist schwieriger geworden. Zum Jahresende muss der RBB sogar einen Radiosender dichtmachen: Aus für Multikulti wegen sinkender Gebühreneinnahmen im Osten. Seither sorgt die Klage über ungerechte Gebührenverteilung in der ARD für Ärger.
Heute machen sich ARD und ZDF vor allem auf digitalen Kanälen breit - und damit für viele Gebührenzahler noch unsichtbar. Mehr Zuschauer konnte man in den überschaubaren neunziger Jahren noch mit Spartensendern wie Phoenix erreichen. Darüber freuten sich dann wiederum die Poltiker. Denn bei aller Nähe zu den privaten Medienunternehmen weiß auch ein Mann wie Oettinger, dass er nur bei den Öffentlich-Rechtlichen gut und häufig ins Bild gesetzt wird.
Und nicht zu vergessen: Rundfunkpolitik ist in Deutschland Ländersache - und damit Standortpolitik. Visionen über den eigenen Tellerrand sind damit von vornherein ausgeschlossen. So steht der Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, gleich doppelt in der Pflicht: Bei der Zwei-Länder-Anstalt SWR (die den SPD-Politiker mit Oettinger verbindet) und beim in Mainz beheimateten ZDF, das einst von Konrad Adenauer als politischer Gegenpol zum ARD-"Rotfunk" geplant war. Ja, so funktioniert deutsche Rundfunkpolitik.
Auch Beck demonstriert übrigens wie sein Kollege Oettinger gerne mal geballte Medieninkompetenz: Der Zeit vertraute er kürzlich im Interview an, keine Zeit zum Surfen im Internet zu haben. Dennoch wünscht sich der SPD-Vorsitzende von den Öffentlich-Rechtlichen "Inseln der Qualität" im Internet.
Herrje, so könnte das immer weitergehen. Dummerweise droht aber die EU-Kommission ernsthaft, dem Rundfunk-Ringelreih des Dualen Systems, in dem sich selbstgefällige Rundfunk-Hierarchen und private Dudelfunker trotz routinemäßiger Kabbeleien schon eingerichtet hatten, ein Ende zu machen. Plötzlich sollen "Public-Value"-Tests her und Regelungen für das bisher rundfunkpolitikferne Internet, um die Gebührensubventionierung für die Öffentlich-Rechtlichen zu rechtfertigen - die auf ihren Websites auch schon Küchenutensilien verkauft haben, wie der Zeitschriften-Verleger Hubert Burda nicht müde wird zu erzählen.
Was erlaubt ist und was nicht
Damit keine Missverständnisse auftreten: Es ist Nonsens, den öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehprogrammen den Übertragungsweg Internet zu verbauen. Genauso unsinnig wäre es, ihnen die Nutzung der mit dem neuen Medium verbundenen Technologien zu verbieten. So sind Mediatheken im Internet absolut sinnvoll. Sie gehören weder verboten noch durch unsinnige Auflagen wie die geplante einwöchige Archivierungsdauer beschnitten.
Alles, was über Radio und Fernsehen hinausgeht, müsste allerdings erst seinen "Public Value" nachweisen, bevor dafür Gebühren fließen. Der britischen BBC, die übrigens einen vorbildlichen Internet-Auftritt besitzt, ist ein solches Verfahren für neue Programme bereits vorgeschrieben. Die deutschen Rundfunkpoliker wollen nun mit einem "Drei-Stufen-Test" kontern. Zudem soll eine "Negativ-Liste" die Verleger ruhig stellen; deren Sorge ist es, dass ARD und ZDF im Internet keine "elektronische Presse" machen. Ein nachvollziehbarer Wunsch - schließlich hat bisher auch niemand öffentlich-rechtliche Tageszeitungen und Magazine vermisst.
Schon droht wieder bürokratisches Stückwerk, die Rundfunkpolitiker haben sich selbst unter Zeitdruck gestellt. "Ich neige dazu, dem Rundfunkänderungsstaatsvertrag meine Zustimmung nicht zu geben", droht auch der niedersächische Ministerpräsident Wulff. Der Spiegel hält es für "fast aussichtslos", am Donnerstag "zu einer Einigung zu kommen, die in Brüssel wie in Karlsruhe hält". Im badischen Karlsruhe sitzt bekanntlich das Bundesverfassungsgericht, das die Eigenständigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erst im letzten Jahr erneut gestärkt hatte.
Vielleicht vertagt man sich also, vielleicht fördert man auch eine Übergangslösung zu Tage, und der gleich Zirkus wiederholt sich dann beim 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Frei nach dem Motto: Deutsche Rundfunkpolitik - Schrecken ohne Ende.