Fehlstart: "Vanity Fair" ist da

What's up, Cowboy? Till Schweiger auf dem Premieren-Cover der Vanity Fair
Foto: Archiv Netzpresse
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What's up, Cowboy? Till Schweiger auf dem Premieren-Cover der Vanity Fair
Foto: Archiv Netzpresse
So billig war Luxus selten zu haben. Für einen Euro liegt die erste deutsche Vanity Fair seit Montag am Kiosk. Verkaufs-psychologisch ein gewagtes Spiel: Der Kunde könnte glauben, er bekäme auch inhaltlich ein billiges Heft.

Billig - das ist der deutsche Ableger des amerikanischen Edelmagazins sicher nicht. Aber gemessen an den hochgesteckten Erwartungen gerät das pralle Heft (328 Seiten) zur veritablen Enttäuschung. Es sollte dem amerikanischen Vorbild und dessen üppiger, Maßstäbes setzender Eigenwilligkeit nacheifern, aber vom Titel unter dem schwarzen Umschlag lächelt nur Amerika-Rückkehrer Till Schweiger. Der hat in den letzten Wochen schon in allen Talkshows vorgesprochen. Jetzt steht auch noch ein Interview in Vanity Fair. Eigentlich müsste es umgekehrt sein. Das nennt man wohl schlechtes Timing.

Neues Deutschland
Ein "neues Magazin für ein neues Deutschland" hatte Conde Nast angekündigt. Neues Deutschland, das ist natürlich ein guter Witz - oder ist es so ernst gemeint wie das Editorial von Chefredakteur Ulf Poschardt, der sich damit als Redenschreiber für Bundespräsident Köhler empfiehlt? "Deutschland hat sich verändert. Wir sind zuversichtlicher, selbstbewusster und weniger neurotisch geworden. Die Begeisterung bei der Fußball-WM im Sommer und letzte Woche während der sensationellen Leistung unserer Handballer ..."

Besser liest sich diese Jetzt-geht's-los-Prosa auf jeden Fall 227 Seiten später in einer Kolumne des Rappers Bushido: "Wenn ich über meine Heimat nachdenke, bekomme ich sofort gute Laune. Hier bin ich im letzten Jahr Euro-Millionär geworden."

Wundertüte
Journalistische Akzente hatte man sich von der neue Zeitschrift versprochen. Nun kann auch das amerikanische Vorbild nicht jeden Monat die Identität eines Watergate-Informanten enthüllen. Die deutsche Ausgabe soll allerdings jede Woche kommen, und sie wirkt zunächst einmal wie eine Wundertüte, die zwar ein "Stil"-Kapitel hat ("Minikleider, knappe Tuniken, shorty Shorts - dieser Sommer gehört den Stehutensilien"), aber noch nach dem eigenen Stil sucht.

Robert DeNiro, Robert Wilson, Georg Baselitz, der spröde Internet-Unternehmer Niklas Zennström - alle drin. Es gibt "exklusive" Tagebuch-Aufzeichnungen der vor vier Monaten ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja - sehr ehrenhaft. Michel Friedman zeichnet, statt vor TV-Kameras in den Verbal-Clinch zu gehen, als Autor einer Reportage über die NPD-Granden - mal was anderes.

Die Story über Bundesumweltminister Sigmar Gabriel könnte auch im Spiegel stehen, wird jedoch von der Aktualität überholt. Das Foto ist gut: Es zeigt Gabriel in einem schneewittchenhaft eingefärbten Waldambiente. Überhaupt ist das deutsche Heft da stark, wo es sich an das US-Vorbild anlehnen kann, und das wirkt sich vor allem gestalterisch aus.

It's the Bildsprache, stupid!
Die Fotos zur Story über die schwarze demokratische Polithoffnung Barack Obama hat Annie Leibovitz beigesteuert, und Bruce Weber hat Till Schweiger als muskulösen Cowboy a la Brokeback Mountain inszeniert. Ähnlich opulent geraten einige Werbestrecken.

120.000 Exemplare will Vanity Fair verkaufen, das nächste Heft kommt schon in der nächsten Woche. Aberauch im neuen Deutschland findet man bekanntlich über den Kampf zum Spiel; die in Berlin sitzende Redaktion ist noch jung und hat wohl Potential. Na, denn: Bau auf, Redaktions-Jugend, bau auf!
Kommentare:
Brenner, Gast: Sex sells
Zuletzt bearbeitet 08.02.2007 23:22 Uhr