„Fortbildung – Fluch oder Segen?“
- Gratwanderung zwischen Lobbyismus und Information
Vortrag von Torsten Hoffmann, Medizinjournalist, Pullach, Mitglied des Vorstandes des KdM
Das Thema Fortbildung im Medizinjournalismus ist ein dringendes Thema. In der Vorbereitung und Erörterung der möglichen Vortragsthemen für diese Tagung wurde es mit an erster Stelle genannt und freue mich, darüber mit Ihnen sprechen zu dürfen.
Berufliche Fortbildung an sich ist heute eine Selbstverständlichkeit. Lebenslanges Lernen ist die Devise unserer modernen Kommunikations- und Wissensgesellschaft.
Fraglich ist aber, ob Devisen, Leitsprüche und Forderungen auch Wort halten können.
Wie sieht hier die Realität, der Ist-Zustand aus?
Wo liegen mögliche Schwierigkeiten und die Gründe einer vielleicht insuffizienten Fortbildung?
Was ist zu tun? Was lässt sich realistisch oder vielleicht auch ein wenig idealistisch fordern?
Für den Medizin- und Wissenschaftsjournalisten ist berufliche Fortbildung zwar eine freiwillige Leistung, aber ich greife hier sogleich den wunden Punkt auf, es ist eine Leistung, die nicht nur den persönlichen oder beruflichen Wert erhöht, nein – berufliche Fortbildung ist essentiell.
Denn das Wissen und die Komplexität der modernen Medizin und Naturwissenschaft hat sich in den letzten Jahren so stark verdichtet – ich möchte hier nicht den abgedroschenen und auch so nicht richtigen Satz „der Wissensverdoppelung in x-Jahren“ herannehmen -, dass eine Auseinandersetzung, erst recht eine publizistische Auseinandersetzung mit diesem Genre, ein relatives Schritthalten mit den Entwicklungen der Medizin und dem Stand des Wissens bedingt.
„Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.“
Sie werden fragen, warum ich zum Thema Fortbildung referiere und Ihnen diesen ersten Leitsatz des Pressekodex vorlege:
Nun, wir haben diese Tagung unter den Titel gesetzt „Kommunikation – Grundlage ethischen Handelns“
Dieser Leitsatz äußert einen Basiskonsens für journalistisches Arbeiten, einen Mindestsatz berufsethischen Anspruchs, der bei jedem journalistischen Wollen und Tun Grundlage sein sollte und Sie können sich selber fragen, ob er auch in Ihrem beruflichen Alltag selbstverständlich ist.
Das Thema „Qualitätssicherung“ ist in aller Munde, in der Medizin schon lange Zeit und wird dort auch mit guten Ergebnissen praktiziert. Die Zertifizierung einer nach Standes- und Fachregeln anerkannten berufsbegleitende Fortbildung und dazu die Messlatte einer „Evidence based medicine“ halten Einzug in den ärztlichen Beruf und setzen Standards.
Mediziner und Medizinjournalisten sitzen nicht so weit auseinander wie oftmals vermutet. Nicht allein das Fach verbindet ihre Arbeit. Beide Berufsgruppen leben buchstäblich voneinander. Sicher, Patienten brauchen Ärzte und Ärzte brauchen Patienten. Auf den ersten Blick spielen Medizinjournalisten in der Arzt-Patient-Beziehung keine Rolle. Betrachtet man die Sache differenzierter, sieht es schon anders aus.
Über die Wege der multimedialen Informationsgesellschaft hat heute jedermann, ob Patient oder potentieller Patient die Verfügbarkeit jedweder Information, über Krankheit und Gesundheit, über die richtige Diagnostik, über die verfügbare optimale Therapie. Der Arzt hat sein Wissensmonopol verloren. Die Hierarchie zwischen Arzt und Patient ist gefallen, beide sind eher Partner geworden, so die einhellige Auffassung. Zumindest gilt dieses partnerschaftliche Verhalten für die Situationen, in denen der Arzt keine Macht für den Patienten zu verwalten und eine Garantenpflicht übernehmen muss (so z.B. in den Fällen von Bewußtlosigkeit).
Zudem, die Medizin will und muss ihre Erkenntnisse und Forschungsergebnisse transportieren, publizieren und damit öffentlich machen, muss den Elfenbeinturm öffnen, hinter dessen Türen sich wohlgemerkt weiterhin viele Wissenschaftler verschanzen und dabei wohlfühlen.
Kommunikation ist das Leitwort. Wo nicht kommuniziert wird bleiben Fragen, entsteht Unwissen und oft genug aus diesem Unwissen heraus Vorurteile, falsche Vermutungen und schließlich Angst.
Und hier möchte ich noch tiefer gehen, entsprechend meiner Themenvorgabe:
Fortbildung tut not. Gerade für die Medien, die Journalisten und Publizisten, die über Medizin und Gesundheit und damit auch über Blut und Tränen, Schicksale und Grenzen des Lebens berichten.
Fortbildung tut gerade auch deswegen not, weil überall dort, wo Durchblick fehlt, Ängste entstehen können.
Einmal dort, wo Informationen ankommen und nicht verstanden werden, also beim Leser, beim Zuhörer, beim Zuschauer.
Aber auch dort können Ängste entstehen, wo die Informationen für die Medien aufbereitet werden. D. h. auch beim Journalisten selbst, der Dinge objektiv nicht blickt oder Zusammenhänge nicht versteht, können Ängste entstehen. Im ungünstigen Fall werden die Inhalte dann falsch, unreflektiert oder auch angstbesetzt weitergegeben..
Hier haben die Medien als Informanten des Publikums versagt. Ängste schüren ist ein gutes Mittel, um Quote zu machen, aber ein schlechtes, um sachgerechte Informationen objektiv und wahrhaftig zu versenden.
Daher kennen wir auch die im Medizinjournalismus aus gutem Grund spezifischen Leitsätze:
- Keine falschen Hoffnungen wecken
- Keine berechtigten Hoffnungen zerstören
Hans-Luwig Winnacker, Präsident der Deutschen Forschungsgesellschaft, appellierte jüngst an die Medien, sich bewusst zu sein der Tragweite ihrer Außenwirkung, wenn Falschinformationen oder schlecht recherchierte Beiträge über wichtige Themen unserer Zeit, wie z.B. über die Stammzelltransplantation, in die Öffentlichkeit gesetzt werden.
Und ich möchte dazu noch Wolf Singer, Hirnforscher aus Frankfurt, zitieren, der die Frage stellte: Wie wird Wißbares Gemeingut?
„Die Wissenschaft soll vorgefundene Phänomene erklären. Gleichzeitig werden Deutungen immer schwerer verständlich. Wie kann Wissen vermittelt werden? Wie kann die Kluft zwischen Wissenschaftlern und Konsumenten überbrückt werden?
In diesem Zitat, Sie ahnen es schon, ist eine Berufsgruppe besonders angesprochen:
Hier ist gefragt nach der Position und Aufgabe der Medien, insbesondere der Medizin- und Wissenschaftsjournalisten, die die Informationen und das Wissen über medizinische Zusammenhänge, Innovationen, Entwicklungen, allgemein berichtenswertes, auch unterhaltsames, je nach ihrem Empfängerport aufbereiten und verständlich, aber auch wahrhaftig absenden sollten.
Singer erhebt das Postulat „vermehrter und verbesserter Vermittlung“. Er setzt dabei die Wissenschaftler, die Fachjournalisten und die Autoren populärwissenschaftlicher Darstellungen gleichermaßen in das Boot der Vermittler, die die Tendenz zeigen, ihr Publikum zu unterschätzen. Dies gilt nach Singer sowohl für das Maß an unterstellter Neugier als auch für die Bereitschaft, sich mit etwas komplizierteren Sachverhalten auseinanderzusetzen. Dass viele, wenn es kompliziert wird, weiterzappen oder weiterblättern, sei nur natürlich, vermerkt Singer, weil nicht alle zur gleichen Zeit gleich aufmerksam und belastbar sind. Doch dabei brauche es nicht zu bleiben, denn wie er hoffnungsvoll einräumt, sei vielleicht schon morgen der dabei, der heute noch abwinke. Solange aber Quote und Auflage Maßstab des Zumutbaren sind, verfallen die Medien in den Teufelskreis zunehmender Verflachung und Profillosigkeit. Und Singer erweitert seine Überlegungen zu politischen Dimensionen dahin, dass aus dieser fatalen Entwicklung die öffentlich-rechtlichen Medien immer seltener ausscheren, was vor dem Hintergrund des Staatsvertrages ein auch an dieser Stelle nicht weiter kommentiertes auch rechtliches Problem ist..
Dazu möchte ich ein Zitat von Univ. Prof. Dr. phil. Walter Hömberg, Lehrstuhl für Journalistik I, Kath. Universität Eichstätt, anfügen:
„Luder- und Darmspiegeljournalismus“
Dieses Kennzeichnung Hömbergs der aktuellen journalistischen Landschaft spricht für sich.
Generell gilt: Die Qualität eines Produkts ist so gut wie die Qualität seines Produzenten. Und diese Qualität muss erarbeitet und ständig erhalten und gepflegt werden.
Ich möchte Ihnen nachfolgend einige Anmerkungen, vielleicht Thesen vorstellen, die kurz umrissen die aktuelle Problematik um Fragen der Fortbildung im Medizinjournalismus skizzieren möchten.
Vorweg: Die Bezeichnung „Medizinjournalist“ ist bislang ungeschützt.
Entsprechend sind die Ausbildungs- und damit auch die Fortbildungsqualifikationen nicht geregelt.
Gut, die meisten etablierten Medizinjournalisten haben Praktika absolviert, ein Großteil ein redaktionelles Voluntariat oder verfügt über eine medizinische oder naturwissenschaftliche universitäre und auch klinische Ausbildung. Beste Voraussetzungen für den Beruf des Fachjournalisten, wenn auch nicht die vollendenden.
Denn, eine gute Schreibe, der Blick für die Ästhetik des Visuellen, die Intuition für ein Thema sind nicht erlernbar, aber doch trainierbar.
Hier wäre ein erster Ansatz zur Verbesserung und Objektivierug der Fortbildung zu etablieren.
Der Beruf des Journalisten gehört leider nicht zu den gesellschaftlich anerkanntesten.
Man darf vielleicht rhetorisch fragen, warum wohl?
Hier steht der Arzt weiterhin souverän an der Spitze. Vielleicht kann man ja wegen der verwandschaftlichen Nähe zur Medizin den Medizinjournalisten insgesamt eine günstigere Position einräumen,wenn diese überhaupt angenommen werden will.
Provokation und Kritikfähigkeit, überhaupt ein Maß an extrovertiertem Verhalten gehört zu diesem Berufsbild und es gibt hier schillernde Gestalten, die sich fast schon narzistisch gerieren und im Lichte der Öffentlichkeit baden.
Zuletzt bearbeitet 02.07.2002 10:54 Uhr