Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement hat die zum 13. Mai avisierte Entscheidung über die Übernahme des
Berliner Verlages durch
Holtzbrinck verschoben, um dem Stuttgarter Verlag Zeit zu geben, einen Käufer für den
Tagesspiegel zu finden.
Spiegel und
Süddeutsche Zeitung berichten von einem einer sechswöchigen Frist, das Branchenmagazin
Der Kontakter von zwei bis vier Monaten.
Hintertür für Holtzbrinck
Zwar liegt nur eine dürre Erklärung aus dem Bundeswirtschaftsministerium vor, doch lässt sich konstatieren, dass sich Clement vorerst aus der politisch heiklen Affäre gezogen hat. Nun ist Holtzbrinck wieder am Zug; allerdings öffnet sich für den schwäbischen Konzern auch eine Hintertür. Sollte er nämlich keinen Interessenten finden, dann würde Clement angeblich die Ministererlaubnis für die vom Kartellamt untersagte Übernahme nicht länger verweigern.
Fragt sich also, wie ernsthaft die Fahnung nach einem Käufer von statten gehen wird. Ein Kaufinteressent für das Blatt sei ihm nicht bekannt, hatte Verleger Stefan von Holtzbrinck noch vor wenigen Tagen bei einer Anhörung in Berlin gesagt. Kurios: Holtzbrincks Handelsblatt hat in einem Interview bereits den Kölner Monopol-Verleger Konstantin Neven DuMont erklären lassen, dass nur der von Holtzbrinck für Berlin geplante Anzeigenverbund wirtschaftlich tragfähig sei, was der Tagesspiegel auch gleich nachdruckt.
Interessenten
DuMont wird also nicht als Käufer einsteigen, jedenfalls
"nicht unter den Bedingungen ..., die bisher vorgeherrscht haben". Dagegen sagte der Münchner Verleger Dirk Ippen, der in der Medienkrise zu einem heimlichen Branchenstar geworden ist, gegenüber der
Stuttgarter Zeitung (die nicht Holtzbrinck, sondern der Südwestdeutschen Medien Holding gehört), er sei
"grundsätzlich interessiert" am Tagesspiegel; das Blatt treffe seine
"liberale Gesinnung".
Das Ballyhoo um den Tagesspiegel kommt dem Wirtschaftsminister gut zu pass, selbst wenn am Ende den Worten keine Taten folgen werden. Denn Clement braucht angesichts der öffentlichen Diskussion und der Drohungen der Konkurrenzverlage, allen voran
Springer, eine stichhaltige Begründung, um der Übernahme schließlich zuzustimmen.