Binnen weniger Stunden haben sowohl Microsofts Suchmaschine Bing als auch Google Vertragsabschlüsse mit Twitter verkündet. Beide wollen den phänomenal erfolgreichen Microblogging-Dienst ohne Zeitverzug durchsuchbar machen. Um dies zu vollbringen, müssen die beiden Giganten der Internet-Suche einen ständigen Datenstrom in Echtzeit indexieren - und verstehen, was sie mit den Twitter-Inhalten anfangen können.
Einen Vorgeschmack (nur mit US-amerikanischer IP - Update: falsch, nur mit US-englischer Lokalisierung sichtbar) liefert Bing. Microsofts neue Suchmaschine, die eine ähnliche Vereinbarung auch mit Facebook eingeht, hat bereits eine Beta-Version der Twitter-Suche online. Google ist diesmal nur zweiter Sieger und will "in den nächsten Monaten" nachziehen. Wer künftig beispielsweise die Schneeverhältnissen in seinem Lieblings-Skigebiet erkunden wolle, so Vize-Präsidentin Marissa Mayer begeistert im Firmen-Blog, könne bei Google nach Tweets von anderen Urlaubern suchen, die gerade vor Ort sind.
Twitter-Client statt Suchmaschine
Das kann er oder sie aber auch schon mit einem Twitter-Client wie Tweetdeck. Solche Anwendungen laufen auf dem eigenen Desktop und zapfen das Gezwitscher kontinuierlich über eine so genannte API an. Das geht - anders als bei Bing oder Google, die für den Zugriff ungenannte Summen zahlen müssen - kostenlos; allerdings ist die Zahl der Abfragen pro Stunde limitiert. Gute Clients erlauben die komfortable Filterung nach Begriffen, ohne dafür jedes Mal eine Suchmaschine ansteuern und ein Suchformular ausfüllen zu müssen.
Vielleicht eignen sich die großen Suchmaschinen gut für Novizen, die ratlos vor dem Twitter-Strom stehen; wer sich orientiert und vernetzt hat, wird seine Nachrichten und Kontakte wohl eher über einen Client bändigen. Für die Suchmaschinen bedeutet Echtzeit-Suche aber nicht nur Daten-Huberei; sie müssen sich auch aus Anwender-Sicht für Twitter umorientieren. Die bisherigen statischen Trefferlisten taugen dafür nicht. Auf Websites wie Twitterfall wird der Realtime-Rausch auch optisch voll ausgelebt. Bing hat eine Pausen-Taste, um Updates anzuhalten, und zeigt bei einer Suche nicht nur die neuesten Tweets, sondern auch die populärsten getweeteten Links - das kann wirklich ein Mehrwert sein. Allerdings hinkt Microsoft der Echtzeit noch etwas hinterher.
"What are you doing", fragt Twitter seine Nutzer. Doch klassische Suchmaschinen interessieren sich bislang weniger für das Jetzt; sie sind Archiv- und Referenzmedien. Google favorisiert bleibende Inhalte, wie sie etwa die Wikipedia liefert. Twitter dagegen ist ein Update-Medium; 140 Zeichen ;, für den Moment gemacht. Kaum zu glauben, dass morgen noch jemand wissen will, wie heute das Wetter beim Skifahren war. Deshalb leuchtet ein, dass Bing eine separate Twitter-Suche hat, und Google könnte seiner Standardsuche Twitter-Treffer bei Bedarf ebenso abgesetzt beimischen wie bisher schon News-Treffer.
Follower-Ranking
Twitter-Nutzer sind auch anhänglich: Sie entscheiden sich, wem sie folgen wollen und wem nicht. Die großen Suchmaschinen dagegen zielen aufs große Ganze. Allerdings achten sie genau wie die sozialen Netzwerke auf Popularität. Bing implementiert nicht nur die Link-Popularität in seine Twitter-Ergebnisse, sondern versucht auch die aus der Web-Suche bekannte "Best match"-Sortierung umzusetzen. "Wenn jemand viele Follower hat, kann sein/ihr Tweet höher gerankt werden. Wenn ein Tweet genau derselbe wie ein anderer Tweet ist, wird er niedriger eigestuft", erklärt das Bing-Blog.
Umgekehrt heißt das: Retweets, die für die Popularität eines Twitters und die Verbreitung einer Nachricht enorm wichtig sind, werden von der Suchmaschine für unwichtig gehalten. Ein Paradox, das beweist, dass die großen Suchmaschinen und Twitter nicht von selbst zusammenpassen.