Der Mitteldeutsche Rundfunk hat als erste ARD-Anstalt Spekulationsgeschäfte durchgeführt, hat seinen Sportchef und seinen Unterhaltungschef wegen Schmiergeld-Affären vor die Tür setzen müssen, und auch die millionenschwere Selbstbedienung eines glücksspielsüchtigen Abteilungsleiters beim Kinderkanal blieb jahrelang unentdeckt. Und nun schafft es die Politik nicht einmal, "ihren" Mann als Intendanten durchzudrücken. Man muss sich die ostdeutsche Dreiländeranstalt wohl als völlig außer Kontrolle geraten vorstellen.
Der jüngste Kontrollverlust hat aber sein Gutes. Der Rundfunkrat wollte nämlich Bernd Hilder, den Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung, nicht einfach so als Intendanten abnicken. Nur zwölf der 41 anwesenden Räte stimmten nach Sender-Angaben für den 52-Jährigen. 29 votierten mit "Nein". Auf weitere Wahlgänge wurde weise verzichtet.
Kandidat der sächsischen Staatskanzlei
Wie konnte es dazu kommen? Hilder war vor drei Wochen nach nicht weniger als vier Wahlgängen als einziger Kandidat vom siebenköpfigen Verwaltungsrat ausgekungelt worden. Dabei sei hinter den Kulissen erheblicher Druck ausgeübt worden, berichtete der Spiegel. Im Verwaltungsrat haben die Bundesländer Sachsen-Anhalt und Thüringen je zwei Sitze. Sachsen besetzt drei.
Der Zeitungsmann Hilder, der in seinem früheren Berufsleben auch Hörfunk-Korrespondent der ARD war, galt als klarer Favorit der CDU-geführten sächsischen Staatskanzlei - aber nicht gerade als Fachmann fürs Fernsehen.
Im Hause sorgte die drohende Wahl für so viel Aufregung, dass der Personalrat einen dreiseitigen Brandbrief an die Rundfunkräte schrieb. Der landete prompt bei der Berliner Zeitung: "Die Belegschaft", stand dort zu lesen, "wünscht sich einen Intendanten, der erste Wahl ist". Hilder war damit offenbar nicht gemeint.
Ein Intendant, der keine Gebühren zahlen will
In den letzten Tagen vor dem Wahl-Termin am gestrigen Sonntag geriet die Ein-Mann-Kür dann völlig außer Rand und Band: Wilde Gerüchte über Änderungen der Tagesordnung und des Wahlprozederes machten die Runde. Den Vogel schoss zum Schluss die Magdeburger Volksstimme mit der abenteuerlichen Meldung ab, Hilder zahle erst seit 2005 Rundfunkgebühren - und zwar widerwillig. Zum Beleg hat die Zeitung einen GEZ-Abmeldebogen, auf dem die Frage "Zahlen Sie Rundfunkgebühren?" mit "Ja" angekreuzt ist, samt handschriftlichem Vermerk "leider".
Ein Intendant, der keine Gebühren zahlen will? Köstlich.
Diese Chaos-Wahl ohne Gewinner ist auch eine Niederlage für die Strippenzieher: An erster Stelle für den sächsischen Staatskanzleichef Johannes Beermann, der sich in den letzten Monaten zum rundfunkpolitischen Wortführer der CDU aufgeschwungen hat. Als Tagessieger darf sich dagegen der von einem evangelischen Kirchenmann geleitete Rundfunkrat fühlen, weil er bewiesen hat, zu einer freien Entscheidung fähig zu sein.
Doch es gibt keinen Grund, sich länger auf die Schultern zu klopfen. Am 31. Oktober geht die Amtszeit des zurückgetretenen Gründungsintendanten Udo Reiter in Trümmern zuende, aber mit der stellvertretenden MDR-Intendantin Karola Wille und dem stellvertretenden WDR-Fernsehdirektor Helfried Spitra, die beide gegen Hilder den Kürzeren zogen, hat der Verwaltungsrat bereits zwei Kandidaten "verbrannt". Mal schauen, wen sie jetzt aus dem Hut ziehen beim kopflosen MDR.