Thomas Leif (Hrsg.): Mehr Leidenschaft Recherche. 274 Seiten, Paperback, Westdeutscher Verlag 2003, 23,90 Euro
Woodward und Bernstein stehen für die Enthüllung des Watergate-Skandals, keine Frage. Wofür steht Schönball? Oder, Hand aufs Herz, wofür Schuler oder Daum? Da zucken sogar Kollegen mit den Achseln. Die drei sind engagierte Journalisten, die, wie Woodward und Bernstein, investigativen Journalismus praktizieren. Und zwar ganz konkret - nachzulesen im nunmehr zweiten Buch aus dem Umfeld des Netzwerks Recherche, herausgegeben von dessen Vorsitzendem Thomas Leif.
Die Kurzlebigkeit der News, denen wir tagtäglich in unseren Medien begegnen, lässt mitunter daran zweifeln, dass es zum einen noch Interesse an Hintergründen gibt, und zum anderen, ob die Medien noch Gelegenheit geben, solche Geschichten zu erspüren. Das wollen Chef- und verantwortliche Redakteure doch nicht gern im Raum stehen lassen.
So lässt Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur des Berliner
Tagesspiegel, bei der Buchvorstellung über seine Redaktion wissen, dass es trotz ökonomischer Zwänge für gute Geschichten Raum und Recherchezeit gebe. Beispiel: Der Berliner Bankenskandal, der von einem Tagesspiegel-Macher, dem schon genannten Ralf Schönball, im journalistischen Alltag eigentlich für die Immobilienbranche zuständig, ans Licht der Öffentlichkeit befördert wurde.
Nach
Leidenschaft Recherche (1998) und dem
Trainingshandbuch Recherche (2003) legt Thomas Leif vom Netzwerk Recherche noch einmal nach: Recherche mit dem Ziel der Offenlegung von Vorgängen, Nachhaltigkeit statt kurzlebiger Pseudoaktualitäten – das sind die Sternstunden des Journalismus. 20 nachvollziehbare Rechercheberichte zu Enthüllungsstories, die wir letztlich alle gelesen haben, geben Auskunft darüber, dazu weitere Handlungsanleitungen, Interviews zum Thema, Hintergründe.
Wie kommt es eigentlich, dass wir Woodward und Bernstein kennen (vielleicht aber auch Redford und Hoffman), nicht aber deren deutschen Kollegen Schönball? Es liegt nicht allein daran, dass Hollywood die Story verfilmt hat. Vielleicht eher an dem Tatbestand, dass die beiden Enthüllungsjournalisten den Rücktritt eines US-Präsidenten mit erzwungen haben. Der Berliner Bankenskandal aber? Dessen Verursacher krümmt offenbar niemand ein Haar. Der gute Schönball darf sich in bescheidener Anonymität über einen Wächterpreis der Deutschen Tagespresse freuen.
Mehr über seine Geschichte, über die von Schuler, Daum und anderen steht in
"Mehr Leidenschaft Recherche".