Normalerweise ist Spiegel Online als (noch) führende deutsche Nachrichtenseite im Web stilbildend für die Konkurrenten. Beim After-Work-Relaunch am letzten Dienstag abend vollzogen die Onliner von der Brandstwiete ausnahmsweise mal eine Entwicklung nach: Monitore und Notebook-Displays sind größer und vor allem breiter geworden. Auch SpOn läuft jetzt breiter - sogar noch etwas breiter als die die Websites von Stern, Focus und Welt, aber nicht zu breit für ein kleines Netbook-Display.
Konkret wuchs die Website in der Horizontalen von 795 auf 900 Pixel (gemessen vom linken Seitenrand). Noch etwas breiter läuft die FAZ. Dagegen weisen Sueddeutsche.de, Zeit Online und auch Bild.de - jene Website, die wohl die neue Nummer eins werden wird - noch die alte SpOn-Breite auf.
Horizontales Design-Gewerbe
Das horizontale Gewerbe ist im Internet - wir reden hier nur vom Design - naturgemäß nicht besonders stark ausgeprägt. Der Inhalts-Fluss läuft vertikal, die Nutzer haben sich daran gewöhnt, hoch und runter zu scrollen. Die Seitenbreite ist dagegen fix. Zwar könnten die Webdesigner theoretisch auch eine flexibel an den Bildschirm des Nutzers angepasste Seitenbreite einstellen, aber in der Praxis wird das kaum gemacht. Lieber behält man die Kontrolle, zumal eine feste Bemaßung auch für die Einpassung der Werbung wichtig ist.
Trotzdem verbuchen SpOn und all die anderen News-Portale, die sich verbreitert haben, einen Raumgewinn. Die typischerweise zweispaltigen Ansammlungen aus Text-, Bild- und Video-Containern bekommen auf den ohnehin vollgestopften Websites mehr Luft.
Kontext per Stecknadel
Eine moderne Gestaltung muss der Tatsache Rechnung tragen, dass viele Nutzer nicht über die Homepage, sondern über Suchmaschinen, soziale Link-Tools und die mittlerweile reich bestückten Twitter-Feeds auf die Seite kommen. Damit sie nicht gleich wieder gehen, gilt es, den Zugang zum eigenen umfangreichen Angebot aufzuschließen.
Bei SpOn wird viel Aufwand betrieben, um die eigenen Artikel möglichst wirkungsvoll in einen Kontext zu stellen - etwa zum schon länger frei zugänglichen Material aus dem Spiegel-Archiv und zu Lexikon-Artikeln. Stecknadel-Symbole führen zu den Hintergrund-Seiten. Dass auf die externe Verlinkung weniger Energie verwendet wird, ist SpOn - und anderen News-Websites - schon häufiger angekreidet worden.
Diskretes Redesign
Die Macher sprechen davon, sie hätten die Website "aufgeräumt", um für "mehr Übersicht" zu sorgen. Von einem echten Relaunch kann man dennoch nicht sprechen. Warum sollte die Spiegels auch eine Website umkrempeln, die monatlich 672 Millionen Seitenabrufe (IVW, Juli 2009) produziert? Herausgekommen ist ein diskretes Redesign. Dass der Seitenkopf jetzt einen dezenten, Web-zwei-nulligen Farbverlauf bekommen hat, werden nur Grafiker registrieren.
Nur eine Freiheit haben sich die Designer herausgenommen: Während auf der Homepage und den Ressortseiten der Haupt-Inhalt links steht, steht dort in der Artikel-Ansicht die Spalte mit den Assets und der Volltext wandert nach rechts.