In Fachbüchern werden Weblogs seit einiger Zeit als Mittel der Unternehmenskommunikation angepriesen - bei aller lustiger Bloggerei darf dann aber auch nichts (Selbst-) Kritisches ausgeplaudert werden. Besonders heikel wird die Angelegenheit, wenn Verlage bloggen lassen: Auf Welt Online, dem News-Portal des Axel-Springer-Verlages , wurde jetzt ein Blogbeitrag von Alan Posener, Kommentarchef der Welt am Sonntag, kommentarlos gelöscht, in dem Bild-Chefredakteur Kai Diekmann mit böser Ironie angegangen wird.
"Die 68er haben K.D gezwungen, als Chefredakteur der "Bild"-Zeitung nach Auffassung des Berliner Landgerichts "bewusst seinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Persönlichkeitsrechtsverletzung Anderer" zu ziehen. Die 68er zwingen ihn noch heute, täglich auf der Seite 1 eine Wichsvorlage abzudrucken, und überhaupt auf fast allen Seiten die niedrigsten Instinkte der 'Bild'-Leser zu bedienen, gleichzeitig aber scheinheilig auf der Papst-Welle mitzuschwimmen", schreibt Posener in dem von Bildblog dokumentierten Posting, das sich auf Diekmanns angekündigtes Buchwerk über die Studentenbewegung ("Der große Selbstbetrug") bezieht.
Statt Diekmann zurückbloggen zu lassen, wurde der Beitrag gelöscht. In einer Pressemitteilung sprach der Verlag von der "Entgleisung eines einzelnen Mitarbeiters. Der Beitrag von Alan Posener über Kai Diekmann ist ohne Wissen der Chefredaktion in den Weblog von Alan Posener gestellt worden. Der Beitrag ist eine höchst unkollegiale Geste und entspricht nicht den Werten unserer Unternehmenskultur".
Ja, wo kommen wir denn da hin, wenn ohne Wissen der Chefredaktion gebloggt wird? Ganz einfach: "Im Journalismus gibt es keinen Einhandbetrieb", wird WamS-Chefredakteur Christoph Keese auf Süddeutsche.de zitiert. Poseners Blog werde künftig "wie alle Blogs eigener Redakteure vor der Veröffentlichung gegengelesen".
So stellt sich der größte deutsche Zeitungsverlag also die Bloggerei vor? Das wäre dann noch einmal zu präzisieren: "Nur Redakteure lesen einander gegen. Im Fall von ,Welt Debatte' Posener und Richard Herzinger", legt Keese der nachfragenden Berliner Zeitung dar. Externe Blogger (die es auf Welt.de auch gibt) könnten ihre Texte weiter sofort veröffentlichen. Sie müssten sich nur an die Netiquette halten. Die aber verbietet bei Springer Worte wie "Wichsvorlage". Und was ist mit "Einhandbetrieb"?
Scherz beiseite: Arbeitsrechtliche Schritte hat Posener laut Keese nicht zu befürchten. Aber es scheint so, als wäre die lustige Verlags-Bloggerei gerade an ihre Grenzen gestoßen - an jene Tabuzonen, die von Blattlinie, innerer Pressefreiheit und Tendenzschutz markiert werden. Dass dieser Grenzfall ausgerechnet bei Springer geschah, mögen viele für typisch halten. Tatsächlich hätte es auch in jedem anderen Verlag passieren können.