Pünktlich zum Antritt des neuen Chefredakteurs Wolfgang Büchner tobt beim Spiegel in Hamburg ein heftiger Kulturkampf. Vordergründig geht es dabei um die Verpflichtung des Bild-Vizes und Hauptstadtbüroleiters Nikolaus Blome. Hintergründig geht es um mehr: Um den Führungsstil Büchners. Um den digitalen Wandel. Und - beim Spiegel a.k.a. "Sturmgeschütz der Demokratie" schwingt auch immer etwas Pathos samt Patina mit - um Augsteins Erbe.
Ideologie-freie Zone
Um Missverständnissen vorzubeugen. So richtig "links" war der Spiegel nie. Dennoch: Die Vorstellung, dass das Berliner Büro des Hamburger Nachrichtenmagazins künftig von einem Talkshow-bekannten Gesicht der Bild-Zeitung geführt wird, die auf dem Spiegel-Titel vor zwei Jahren als Brandstifter angeklagt wurde, ist vielen Redakteuren ein Graus. Das Festhalten an Blome sei eine Katastrophe, bekundet auch Augstein-Tochter Franziska: Als Springer-Mann habe Blome mitgewirkt, regierungsnahe Positionen zu vertreten und den NSA-Skandal herunterzuspielen.
Tatsächlich wirkt die Personalie Blome so, als wollte sich der Spiegel schon einmal personell auf weitere vier Jahre Angela Merkel einstellen. Andererseits: Warum auch nicht? Büchner soll auf einer Redaktionskonferenz auf Nachfragen, ob mit Blomes Nominierung ein politischer Kurswechsel verbunden sei, geantwortet haben: Er verstehe die Frage nicht. Ideologie interessiert den 47-Jährigen offenbar nicht.
Konfrontation mit dem Netz-Zeitalter
Der ehemalige Spiegel-Online-Chef Büchner gilt seit seiner Zeit bei der dpa als moderner Redaktionsmanager. Er soll Print und Digital beim Spiegel zusammenführen. Büchner hat schon einmal angekündigt, alles "auf den Prüfstand" stellen zu wollen. Das kommt in der Redaktion des gedruckten Magazins gar nicht gut an. "Überraschung: Verstockte deutsche Printredaktion wehrt sich gegen neuen Chef, weil er sie mit dem Netz-Zeitalter konfrontieren könnte", twitterte der ehemalige Zeit-Online-Chefredakteur Wolfgang Blau.
Gong. Ring frei zur nächsten Runde im Kulturkampf Online- gegen Print-Journalisten, Verfechter der neuen Zeit gegen Verteidiger der alten Pfründe. Aber bitte kein Neid: Warum sollen die Print-Leute nicht auf ihren Privilegien beharren, solange Onliner beim Spiegel schlechter gestellt werden und keine Verlags-Anteile bekommen?
Eine Frage des Titels
Trotz allem. Blome soll am 1. Dezember ins Hauptstadtbüro des Spiegels wechseln. Die Mitarbeiter KG hat einem Kompromissvorschlag von Büchner zugestimmt und damit wohl den Sturm im Spiegel-Glas beendet: Blome darf sich zwar nicht "stellvertretender Chefredakteur" nennen (was beim Spiegel die Rolle als Blattmacher impliziert), aber er wird "Mitglied der Chefredaktion". So viele Pfründe müssen auch in der neuen Zeit sein.