Triumph des Irrwitzes: die Medienpolitik und das Springer-TV

Kurz vor seinem Tod hatte der von der Bertelsmann-Stiftung finanzierte Kommunikationsprofessor Peter Glotz noch einen gut gemeinten Rat parat: Angesichts der Übernahme der ProSiebenSat.1-Gruppe durch den Erbfeind der Linken, Springer, solle man "nicht erneut mit Katastrophengeschrei anfangen, sondern realistisch, listig und abgebrüht vorgehen".

Ein halbes Jahr später steht fest: Es ist Schluss mit listig. Glotz hatte ja noch alte sozialdemokratische Tricks (wie Alexander Kluges sonderbare Sende-Inseln im Privatfernsehstrom) im Sinn. Doch die Elefantenhochzeit von Europas größtem Zeitungshaus mit Deutschlands anderer großer TV-Gruppe übersteigt den Horizont bisheriger deutscher Medienpolitik und ihres wildesten Auswuchses, des Medienkontrollwesens.

Unbedenklichkeitserklärung aus Bayern
Wir erinnern uns: Kaum war die Fusions-Nachricht raus, stellte Wolf-Dieter Ring, Chef der Bayerischen Landesmedienanstalt, dem Ansinnen eine verbale Unbedenklichkeitsbescheinigung aus. Mit dem getreuen Medienkontrolleur freute sich auch Landesvater Edmund Stoiber, schließlich soll die Sendergruppe ja bei München verbleiben. So weit, so durchschaubar.

Offenbar hat Ring mit seinen Ratschlägen aber auch den Ehrgeiz eines bis dato im Dickicht der Medienkontrolle reichlich unscheinbaren Gremiums angestachelt, und wie: Kurz vor Weihnachten brütete die Kommission zur Ermittlung der Medienkonzentration, kurz KEK, tatsächlich die ultimative Forderung an Springer aus, Sat.1 gleichsam zu einen privatfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sender zu machen. In Bayern würde man wohl sagen: Da zieht's dir die Schua aus.

Weltfremder Ratschluss
Keine Frage: Wenn sich der Konzern der Bild-Zeitung, des kampagnenfreudigen Sprachrohrs deutscher Mehrheitsfähigkeit, mit dem quotenfixierten Zielgruppen-Fernsehen zusammentut, muss das Freunden einer abwechselungsreichen Medienlandschaft Kummer bereiten. Das Bundeskartellamt befürchtet ein Duopol aus Springer und Bertelsmann. Da bündeln sich zwei Wirtschaftsmächte, die ja auch Meinungsvielfalt absorbieren.

Doch der Ratschluss der KEKen Professoren zeigt, dass das gremiendurchsetzte deutsche Medienkontrollwesen auf solche handfesten Herausforderungen nur noch weltfremde Antworten zu produzieren weiß. Was für eine grausame Vorstellung: Im Programmbeirat von Sat.1 sitzen dann wieder die üblichen Verdächtigen vom Sportbundpräsidenten bis zum Berufspolitiker als Prototypen der Gesellschaft; die KEK nennt es "Binnenpluralität". Dabei sollte das unwürdige Proporzgeschachere um den Intendantenposten im ZDF-Fernsehrat noch in bester schlechter Erinnerung sein.

Medienpolitischer Schlamassel
Hinter dem ganzen Schlamassel steht eine Medienpolitik, die das Medienkontrollwesen zum Blühen gebracht hat. Für den Privatfunk hat man eine Pflanze namens Landesmedienanstalten gesät, die aber aus Gebührengeldern gedüngt wird. Das ist nicht die einzige Ungereimtheit. Kritiker bezweifeln überdies die Effizienz der Anstalten und fordern auch schon mal deren Abschaffung.

Neu ist, dass Reinhold Albert, der Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten, laut Handelsblatt nun selbst ankündigt, die KEK abzuschaffen - genauer gesagt -, "in eine neue Kommission für Zulassung und Aufsicht von bundesweitem Fernsehen integrieren". Die Pläne sollen schon länger in der Schublade liegen, passen aber wie die Faust aufs Auge: Dass in einer neuen KEK mit verdoppelter Mitgliederzahl dann sechs zusätzliche Plätze für Vertreter der Landesmedienanstalten geschaffen würden, dürfte Direktoren wie dem Bayern Ring oder auch seinem rheinland-pfälzischen Kollegen Wolfgang Helmes gewiss gut passen.

Verständnis für die Strippenzieher
Über Helmes, dessen LMK den Sender Sat.1 lizenziert, wusste die Zeit jüngst zu berichten, sein Ziel sei es, ein "klares Nein" der KEK zur Springer-Fusion zu verhindern. Er habe deshalb ein Treffen von Springer-Chef Mathias Döpfner mit seinem Ministerpräsidenten Kurt Beck arrangiert, der auch der Rundfunkkommission der Länder vorsitzt.

Die Medienpolitiker treibt das Motiv um, ausländisches Kapital (vulgo: Heuschrecken) aus deutschen Landen fernzuhalten. Dabei sind Springer und andere deutsche Verlage längst im Ausland auf Übernahme-Tournee. Egal. Leute wie Rupert Murdoch hätten, so Helmes gegenüber der Zeit, "kein Verständnis für unsere Fernsehlandschaft".

Und, so könnte man ergänzen, auch kein Verständnis für die Strippenzieher in den Staatskanzleien und ihre Helfer. Die wünschen sich nichts sehnlicher, als vom scharfen Wind der Globalisierung verschont zu werden, auf dass es kuschelig warm bleiben möge zwischen Medienpolitikern und -managern - zur Not eben um den Preis einer durch "vielfaltssichernde Maßnahmen" (O-Ton Rundfunkstaatsvertrag) abgefederten Monokultur von Bild, Bams, Glotze. Eine aus dem Ruder laufende KEK, selbst eine Kreatur dieser Strippenzieher, stört da nur. Der Superlativ ist jetzt erreicht: Irrwitz, irrwitziger, Medienpolitk.
Zuletzt bearbeitet 04.01.2006 13:44 Uhr