Und es gibt ihn doch: den Käufer für den Tagesspiegel

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Der Holtzbrick-Verglag hat nach über achtmonatigem Ringen um eine Ministererlaubnis mit einem überraschenden Verkaufs-Manöver dem Streit um die Fusion von Tagesspiegel und Berliner Zeitung eine Wende gegeben. Aus einem Fall, der fast zum Politikum geriet, wird damit wieder eine kartellrechtliche Angelegenheit. Denn der Käufer, den der Stuttgarter Verlag wie das Kaninchen aus dem Hut zauberte, ist der ehemalige Holtzbrinck-Geschäftsführer und -Aufsichtsratschef Pierre Gerckens. Strohmann Gerckens? Kein Wunder, dass sich sofort kritische Stimmen meldeten, die Gerckens als "Strohmann" verorteten - mochte der Neu-Besitzer auch noch so laut erklären, er freue sich auf eine "selbstständige und unabhängige Verlegertätigkeit". Weder beim Hamburger Bauer-Verlag, der selbst 20 Millionen Euro für den Tagesspiegel geboten hatte, noch bei Springer, wo gegen eine doppelte Holtzbrinck-Konkurrenz in Berlin massiv Front gemacht worden war, nahm man ihm dieses Bekenntnis ab. Auch der in solchen Fällen gerne befragte Dortmunder Medienforscher Horst Röper glaubt, dass der Tagesspiegel nur bei dem langjährigen Holtzbrinck-Manager "geparkt" werden soll. Ablaufen könnte die Abstellfrist dann, wenn ein novelliertes Kartellrecht Holtzbrinck den direkten Zugriff erlaubt. Zunächst aber ist das Bundeskartellamt wieder am Zug. Die Wettbewerbs-Behörde, die Holtzbrinck schon einmal im Dezember 2002 die Übernahme der Berliner Zeitung untersagte, bekommt nun einen neuen Antrag aus Stuttgart auf den Tisch. Befreiung für Clement Den Antrag auf Erteilung einer Ministererlaubnis hat Holtzbrinck dagegen zurückgezogen. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement ist damit von einem Verfahren befreit, dass dem Zeitungswesen eine unheilvolle politisch-dirigistische Einflussnahme hätte einbringen können. Es bleibt der schale Beigeschmack eines monatelangen Doppelpass-Spiels zwischen Holtzbrinck und Clement auf der Suche nach einer Gasse für eine schlagkräftige bürgerlich-liberale Zeitungsmacht in der Hauptstadt als Gegengewicht zur Springer-Presse. Ganz gewiss hat auch das Haus Holtzbrinck durch seinen verlegerischen Eiertanz Schaden genommen. Felsenfest hatten sich die Schwaben darauf versteift, dass es für den defizititären Tagesspiegel keinen Käufer gebe. Am Ende waren sie sogar so frei, nicht einmal die finanziell beste Karte zu ziehen. Zweitbestes Angebot Gerckens' Angebot sei hinter Bauer das zweitbeste gewesen, sagte Stefan von Hotzbrinck der Süddeutschen Zeitung, doch sei es bei dem Zuschlag ohnehin nicht allein um Gewinnmaximierung gegangen. Das ist aber auch das mindeste, was ein Verleger mit Holtzbrincks Reputation für eine Zeitung, die ihm über zehn Jahre gehört hat und der er nun für ein zugekauftes Blatt den Laufpass gibt, noch tun kann. Bei Holtzbrincks wurde natürlich dementiert, dass Gerckens nur ein vorgeschobener Käufer sei. Der gebürtige Belgier plane auch im Hinblick auf seine Kinder ein langfristiges Engagement, habe alle Ämter und Funktionen bei Holtzbrinck niedergelegt und würde sich "auch persönlich für so etwas nicht hergeben". Der 65-jährige Gerckens hatte seinen Aufsichtsratsvorsitz zwar 2001 abgegeben, wirkte aber zuletzt noch als Aufsichtsratsmitglied bei der Holtzbrinck-Tochter Handelsblatt und auch im Beirat des Tagesspiegels. Diese Ämter hat er nun niedergelegt. Denn in Zukunft muss Gerckens mit dem Tagesspiegel ein glaubwürdiger Konkurrent jenes Hauses sein, dem er ein ganzes Berufsleben lang gedient hat.
Zuletzt bearbeitet 30.09.2003 12:24 Uhr