Nun ist es raus: Das Parlamentarische Kontrollgremium hat heute den Untersuchungsbericht des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer zur Bespitzelung von Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst publiziert. Ursprünglich bereits für den 24. Mai geplant, hatte sich die Veröffentlichung verzögert, nachdem einige Passagen kurzfristig geschwärzt werden mussten.
Der Focus-Reporter Josef Hufelschulte hatte das getan, was gewöhnlich diejenigen tun, die sich als Opfer journalistischer Berichterstattung fühlen: Er berief sich vor einem Berliner Verwaltungsgericht erfolgreich auf die Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte. Verkehrte Welt? Hufelschulte war nicht der einzige, der Details über seine Arbeitsweise nicht veröffentlichen lassen wollte. Wie Schäfer im Vorwort schreibt, hätten mehrere Personen um Streichung ihres Namens gebeten.
Spitzel und Giftzwerge
Schon vor der Veröffentlichung hatte der Bericht in seiner ursprünglichen, für das PKG gedachten Fassung einige Wellen geschlagen. Nachdem die Süddeutsche Zeitung vorab als Erste vertrauliche Inhalte kolportiert hatte, ist nicht mehr ganz klar, wo der eigentlich Skandal liegt: beim BND oder bei jener Handvoll Journalisten, die sich mit Pullach einließen.
Nun werden jede Menge offener Rechnungen aufgemacht. Stern gegen Spiegel, Spiegel gegen SZ und alle gegen Focus. Hat etwa der Münchner Newcomer in den neunziger Jahren bedenkenlos "wilde Leute" eingestellt, um mit Geheimdienst-Geschichten Auflage gegen den Spiegel zu machen, oder handelt es sich bei SZ-Redakteur Hans Leyendecker, der diesen Vorwurf erhob, nur um einen "eifersüchtigen Giftzwerg" (Focus-Chef Helmut Markwort)? Markwort mus es ja wissen. Er beschäftigte bis 2004 als Mitarbeiter zum Beispiel den schriftstellernden Agenten Wilhelm Dietl, dessen Dienste dem BND insgesamt 650.000 Mark wert waren.
Lädiert ist auch der Ruf des Publizisten und Geheimdienst-Forschers Erich Schmidt-Eenboom. Aus dem unbestechlichen Experten und Bespitzelungs-Opfer ist plötzlich eine Figur geworden, die dem Feuer zu nahe gekommen ist. Schmidt-Eenboom hat übrigens ebenso wie andere Betroffene (laut Schäfer-Bericht "ca. 20 Personen") die Möglichkeit erhalten, Stellungnahmen abzugeben, die in das veröffentlichte Endprodukt eingearbeitet wurden.
Am Gesamtbild vermögen diese Relativierungen, die sich oftmals wie schmallippige Ausreden lesen, jedoch wenig zu ändern. Einem Gesamtbild, das - man beachte dies - allein von den Informationen und Unterlagen (sowie von Aussagen sieben vorgeladener BND-Mitarbeiter) bestimmt ist, die der BND auf Anforderung über das Bundeskanzleramt herausgerückt hat. "Die Sichtung des Aktenmaterials gestaltete sich ingesamt problemtisch", schreibt Schäfer selbst; die Unterlagen seien teils unvollständig, teils ungeordnet gewesen.
Die Rache der Politiker
Sollte das Kalkül der Geheimdienstler und der politischen Verantwortlichen darin bestanden haben, dass sich die Journaille über den zum Fraß vorgeworfenen BND-Bericht gegenseitig die Augen aushackt, dann ist dieses Kalkül ohne Zweifel aufgegangen. Es muss jedenfalls niemanden verwundern, dass die PKG-Mitglieder nahezu einmütig auf Veröffentlichung des Sachverständigenberichtes gedrungen haben und auch die Schwärzung einzelner Passagen noch gerichtlich rückgängig machen wollen.
Das ist die Rache der politischen Kaste an ihren größten Kritikern: Den Herren Journalisten, die sich so viel auf ihre unabhängige Rolle als vierte Gewalt im Staate einbilden, die indes zwischen den Aktendeckeln des Schäfer-Berichtes streckenweise als eitle, korrumpierbare Selbstdarsteller demaskiert werden, die mit Geheimdienstlern in derselben Branche verkehren. Nachrichtenhändler eben.