Der deutsche Großverleger Hubert Burda hat einmal erklärt, warum so wenig Menschen für Online-Inhalte zahlen möchten: Schließlich hinterlasse auch niemand am Kiosk seine persönlichen Zahlungsdaten, nur um eine Zeitung zu kaufen.
Vielleicht würde Burda seine Keditkarte ja den Herren Steven Brill, L. Gordon Crovitz und Leo Hindery Jr. anvertrauen. Die drei Veteranen der US-Medienszene haben sich entschlossen, der Kostenlos-Mentalität im Internet doch noch den Garaus zu machen: Mit ihrer neuen Firmen Journalism Online wollen sie die "dringende Nachfrage nach einem umfassenden, sofortigen Plan gegen die Abwärts-Spirale im Verlagsgeschäft mit originalem Qualitätsjournalismus" stillen und den verzweifelt nach Erlösquellen suchenden Zeitungsverlagen ein Online-Bezahlsystem anbieten.
Ein Start-up, gestartet von drei reifen Herren in den Sechzigern. Das passt zur Zeitungsbranche, die von vielen Propheten der digitalen Welt bereits totgesagt wird.
Retter in akuter Seenot
Wahrscheinlich ist die Erfahrung der späten Firmengründer, ihre Vernetzung in der Branche, auch das zweitbeste Argument für einen Geschäftserfolg - der beste Grund ist das Timing: Die Branche, die seit Monaten von Negativmeldungen über Zeitungsschließungen, Entlassungen und Kurzarbeit überzogen wird, havariert in akuter Seenot. Da kommen Retter gerade recht. In einem Interview mit PaidContent.org behauptete Brill bereits, dass sich jeder Verleger, den sie getroffen hätten, nach einer Beteiligung an der neuen Firma erkundigt habe.
Brill gründete zuletzt eine Firma, die mit Hilfe einer Chipkarte die Wartezeiten in den Sicherheits-Checks amerikanischer Flughäfen zu verringern verspricht. Der Unternehmer und frühere Gerichts-Journalist hat sich aber auch in der Online-Sphäre einen Namen gemacht. Er gab den Mediendienst Brill's Content heraus und versuchte, unter dem Namen Contentville eine Börse zum An- und Verkauf von Online-Content zu etablieren. Beide Projekte starben, als die Dot-com-Blase 2001 platzte.
Crovitz war Verleger des Wall Street Journals, das eine der wenigen erfolgreichen Bezahl-Websites betreibt. Er verließ Dow Jones, als Rupert Murdoch den Verlag übernahm. Der Dritte im Bunde, Hindery Jr., war AT&T-Manager und Chef eines Kabelfernseh-Sport-Networks.
Vergebliche Versuche
Seit den neunziger Jahren, seit Beginn der Evolution des World Wide Web zum Massenmedium, versuchen die Verlage, Online-Abos und kostenpflichtige Artikel-Abrufe zu etablieren. Es ist ihnen - mit ganz wenigen Ausnahmen - nicht gelungen. Schlimmer noch: Internet-Nutzer haben sich daran gewöhnt, dass man für den Online-Zugang und die notwendigen Geräte zahlen muss, nicht aber für die Inhalte.
Gut möglich also, dass sich auch das Veteranen-Trio am erhofften Bezahl-Revival verheben wird, zumal Brill, Crovitz und Hindery die Kasse im Netz auch nicht neu erfinden können. Das beste Argument, das sie haben, lautet: Kunden sollen sich nur einmal registrieren müssen, um damit Zugang auf allen Zeitungs-Websites zu erlangen - dafür müssen allerdings viele Verlage diese Idee kaufen.
Der vorlaute Online-Mediendienst Gawker.com titelte aber bereits "Why Newspapers Shouldn't Buy What Steven Brill Is Selling": Dort heißt es, Online-Dienste wie Amazon oder Paypal hielten seit Jahren die Bezahltechnologie bereit, die Brill und seine Kompagnons den Verlegern in Form einer neuen Software erst noch verkaufen wollen.
So ist es wohl; doch die Crux ist, dass genau diese erprobte Bezahltechnlogie zu teuer und zu kompliziert ist, um damit Micropayments für Zeitungsartikel abzuschließen. Das hat schon Hubert Burda gewusst.