WAZ-Gruppe beendet Ära Lochthofen bei der "Thüringer Allgemeinen"

Die WAZ-Gruppe hat bei der Thüringer Allgemeinen in Erfurt den seit 20 Jahren amtierenden Chefredakteur Sergej Lochthofen abberufen. Der 56-Jährige solle künftig eine andere Aufgabe innerhalb der Gruppe übernehmen, die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entspreche, teilte der Essener Zeitungskonzern mit. Die Ablösung zum Jahreswechsel sei Teil eines "seit längerem andauernden Erneuerungsprozesses."

Eingriff in die journalistische Unabhängigkeit
So einfach lässt sich eine Ära allerdings nicht beenden. Auf einer Mitarbeiterversammlung in Erfurt verabschiedeten rund 100 Redakteure eine auszugsweise vom MDR und später auch auf der TA-Website veröffentlichte Erklärung, die Abberufung sei "in ihrer Form, in ihrer inhaltlichen Zielrichtung und in ihrer erkennbaren persönlichen Motivation durch Geschäftsführer Klaus Schrotthofer ein schwerer Eingriff in die journalistische Unabhängigkeit der Redaktion".

Lochthofen kann sich der Solidarität seiner Kollegen immer noch ziemlich sicher sein. Der Sohn eines deutschen Gulag-Insassin und einer Russin, war nach der Wende von seinen Kollegen zum Chefredakteur des ehemaligen Parteiblattes gekürt worden und hatte auch unternehmerische Verantwortung übernommen. Die WAZ-Gruppe kam als Geldgeber aus dem Westen dazu. Würde die Redaktion heute noch einmal wählen, "dann läge das Votum, er (Lochthofen, d. Red.) möge bleiben, wohl nahe bei 100 Prozent", schreibt Feuilleton-Chef Sigurd Schwager in einem Extra auf der TA-Website zur Ablösung des Chefredakteurs.

Auch die Ehefrau soll gehen
Als Lochthofens Stellvertreterin amtierte praktischerweise seine Ehefrau. Auch ihr soll der Abgang nahegelegt werden, wenn Paul-Josef Raue als neuer Chefredakteur von der Braunschweiger Zeitung kommt, um zusammen mit dem Thüringer WAZ-Statthalter Schrotthofer "die
Einführung innovativer Redaktionsstrukturen in Thüringen fortzusetzen"
(WAZ-Pressemitteilung).

Als Innovation versteht der sparsame Großverlag offenbar auch eine redaktionelle Zentralisierung der Lokalausgaben nach dem umstrittenen Vorbild in NRW. Lochthofen habe jedoch zur Einführung eines regionalen Newsdesks eine "kritische Haltung" gehabt und sich statt dessen um eine Stärkung der redaktionellen Kompetenz vor Ort gekümmert, heißt es beim DJV Thüringen, der die WAZ-Gruppe ebenfalls zur Rücknahme der Abberufung aufforderte.

Gegenüber Spiegel Online sagte Lochthofen, eine Begründung für seine Ablösung sei ihm nicht mitgeteilt worden. Am Geschäft könne es aber nicht liegen. "Im Gegensatz zu den nordrhein-westfälischen Titeln der WAZ-Gruppe stehen wir gut da." Die gleichzeitige Ablösung seiner Frau bezeichnete Lochthofen gar als "Sippenhaft wie bei den Nazis".