Der Vertrag von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender soll nicht verlängert werden - so will es jedenfalls die "schwarze Mehrheit" im Verwaltungsrat des Mainzer Senders. Klingt nach einem weiteren Fall von politischer Einflussnahme auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Als solchen brandmarkten auch Nachrichten-Frontmann Claus Kleber und weitere bekannte ZDF-Journalisten die Personalie in einem offenen Brief ("... zeugt von einer gefährlichen Einmischung der politischen Parteien in die Souveränität unseres Hauses") an Intendant Markus Schächter, der Brender über 2010 hinaus beschäftigen möchte.
Nun hat sich allerdings das ZDF-Verwaltungsratsmitglied Roland Koch, im Nebenberuf auch hessischer Ministerpräsident, via FAZ ins Schlachtgetümmel gestürzt. Der CDU-Politiker erweist sich dabei einmal mehr als perfekter Polarisierer. Koch spricht Brender nämlich nicht nur ab, ein erfolgreicher Chefredakteur gewesen zu sein, sondern tritt auch noch einen Besserverdiener-Diskurs um Kleber los, um den Moderator damit zu desavouieren.
"Nicht mehr primär verortet"
Kleber habe sich, so Koch, "für eine deutliche Verbesserung seiner materiellen Situation aus der redaktionellen Verantwortung für das ZDF zurückgezogen und ist heute nur noch freier Mitarbeiter". Deshalb sei die Frage der redaktionellen Unabhängigkeit auch "nicht mehr primär bei ihm verortet". Bumm.
Bei der Beurteilung des von Brender verantworteten Programms lässt sich Koch nicht wirklich auf eine inhaltliche Diskussion ein, die ihm schnell um die Ohren fliegen könnte, sondern stützt sich auf einen weithin respektierten Standard: die heilige Quote. Seit 2002 habe die Hauptnachrichtensendung Heute 26 Prozent ihrer Zuschauer verloren und sei im letzten Jahr von RTL Aktuell überholt worden, sorgt sich Koch. Auch Heute Journal und Länderspiegel hätten Zuschauer eingebüßt. Selbst die Verluste in der Auslandsberichterstattung und die in der Vergangenheit laut gewordene Unzufriedenheit der Auslandskorrespondenten darüber vergisst Koch nicht.
"Sehr viel offenere Diskussion"
Den Vogel schießt der Politiker ab, wenn er sich gleichsam zur Stimme unzufriedener ZDF-Mitarbeiter macht. "Sehr konkret" wisse er, dass einige Unterzeichner den offenen Brief nur deshalb unterschrieben hätten, "weil sie sich dem Solidaritätsdruck gebeugt haben", grantelt Qualitätshüter Koch. Dabei habe es "intern in den letzten drei, vier Jahren eine sehr viel offenere Diskussion über Führungs- und Strategiefragen im Informationsbereich des ZDF gegeben".
Dass Personalfragen nicht mehr hinter verschlossenen Türen zwischen politischen "Freundeskreisen" ausgepokert, sondern von einem Ministerpräsidenten in aller Öffentlichkeit diskutiert werden, ist immerhin neu. Nach wie vor weiß allerdings niemand (außer Koch und Konsorten) ganz genau, warum Brender nun eigentlich ausgedient hat, obwohl er doch perfekt in die schwarz-rote Farbenlehre des öffentlich-rechtlichen Proporz-Geschacheres passt. Politische Einflussnahme? Ach was, sagt Koch schlau, darum geht's doch gar nicht. Ihn treibt ja nur die Besorgnis um den Mainzer Sender um.
Angesichts seines hohen Einfühlungsvermögens in die Denkungsart der ZDF-Mitarbeiter und seiner Sorge um die Programmqualität müsste sich Roland Koch eigentlich jetzt selbst zum Chefredakteur küren. Aber, ach, das geht ja nicht, er ist ja schon Ministerpräsident - und einer wie Koch weiß ganz genau: das vornehmste Gebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist seine Staatsferne.