sehr geehrter Herr Dr. Vorkötter,
die Redaktion der Berliner Zeitung verweigert sich nicht einer Kooperation der vier Tageszeitungen der DuMont Gruppe. Sie hat dies auch in der Vergangenheit nicht getan. Die Redaktion wendet sich aber, wie angekündigt, mit aller Entschiedenheit gegen die Gründung einer externen Redaktionsgemeinschaft, wie sie vorgestellt worden ist.
Eine Auslagerung von Kernressorts der Berliner Zeitung in eine neu zu gründende GmbH widerspricht nach unserer Auffassung dem Redaktionsstatut der Berliner Zeitung, das die Zeitung als Autorenzeitung mit einer Vollredaktion beschreibt und dabei dem Standort Berlin eine besondere Bedeutung beimisst. Diese Kernpunkte des Redaktionsstatuts sind keine bloßen Formeln in einem Regelwerk, sondern eine Verfassung, die sich die Berliner Zeitung selbst gegeben hat. Als solche ist sie von der Redaktion, vom Verlag und von der Chefredaktion anerkannt worden. Sie bindet die Vertragspartner. Unserer Auffassung nach ist es unzulässig, einen Teil der Redaktion, die Vertragspartner ist, aus dem Statut herauszulösen. Wir streben keine juristische Auseinandersetzung an, sind aber notfalls in dieser zentralen Frage dazu bereit.
Den Verzicht auf Kernkompetenzen im eigenen Haus halten wir für ein unkalkulierbares Risiko für die Qualität und den bisherigen Wettbewerbsvorteil unserer Zeitung auf dem umkämpften Berliner Markt.
Die Qualität, die Kompetenz und die Konkurrenzfähigkeit der Berliner Zeitung beruhen wesentlich auf der Tatsache, dass sie über eine gut eingespielte Vollredaktion verfügt und die Berichte von Autoren verfasst werden, die ihre Fachgebiete ebenso wie die Lesegewohnheiten der Abonnenten kennen. Die Auslagerung und eine strikte organisatorische und räumliche Trennung zwischen mehreren Standorten und zwischen Schreibern und Produzenten würden Abstimmungsprozesse unnötig erschweren und verlangsamen. Die Arbeitsmotivation einer „Rest-Redaktion“ würde deutlich geschmälert. Mit Sorge sehen wir außerdem, dass die Kollegen einer künftigen Redaktionsgemeinschaft ohne tarifvertragliche Bindung bleiben würden.
Wir bezweifeln außerdem, dass die Redaktionsgemeinschaft groß genug wäre, um den unterschiedlichen Anforderungen und Bedürfnissen der verschiedenen Blätter gerecht werden zu können. Nach den vorliegenden Plänen sollen künftig 23 Redakteure die Arbeit erledigen, für die zuvor knapp vierzig Redakteure zur Verfügung standen. Die vorliegende Ausschreibung lässt ein journalistisches Konzept vermissen und genügt in keiner Weise den Anforderungen.
Uns ist bewusst, dass die wirtschaftliche Lage aller Zeitungsverlage, nicht zuletzt aufgrund der einbrechenden Anzeigenerlöse, schwierig ist, und deshalb mehr als bisher versucht werden muss, die Zeitungen des DuMont-Verlages durch eine engere Kooperation zu stärken. Eine Entkernung der Redaktion der Berliner Zeitung wäre der falsche Weg.
Wir fordern deshalb:
- keine Auslagerungen bei der Berliner Zeitung und beim Berliner Verlag
- Einhaltung des Redaktionsstatuts durch Erhalt der Vollredaktion und der Berliner Zeitung als Autorenzeitung
- Aufnahme von Verhandlungen mit der Redaktion, den Gewerkschaften und dem Betriebsrat mit dem Ziel, ein Kooperationsmodell zu bestimmen, das auch den Belangen der Redaktion(en) gerecht wird.
Für die Redaktion der Berliner Zeitung
Der Redaktionsausschuss
Der Betriebsrat"
Wortlaut eines weiteren Offenen Briefs aus der Berliner Zeitung an die Herausgeber und den Chefredakteur.