Kaum zu glauben: 30 Jahre alt ist die 1978 als linke publizistische Alternative gegründete und seit 17. April 1979 regulär erscheinende Berliner Tageszeitung geworden - und mehr denn je selbst im Mainstream angekommen. Während der Jubiläumskongress mit dem Motto "Tu was! – Utopie & Freiheit" noch an die Rhetorik der bewegten Gründerjahre anknüpft, zeitigt der Jubiläums-Relaunch der Zeitung ein solides, aber überraschend überraschungsloses Ergebnis. Zum Dreißigsten haben Spiegel, Springer, FAZ und Co. Jubiläums-Anzeigen geschaltet. Mainstream eben.
Auch der Zeitungs-Designer Lukas Kircher, der für das neue Layout verantwortlich zeichnet, ist längst etabliert. Seine preisgekrönte Agentur gestaltete schon viele bürgerliche, regionale und überregionale Blätter - darunter die für den taz-Relaunch nicht ganz unwichtige Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung.
Solides Design
Kircher hat der taz eine neue Titelseite spendiert. Dort steht der Zeitungsname nun negativ vor (einem im Farbton veränderten) roten Hintergrund. Auch die Website wechselt von schwarz auf rot. Die mit bunten Farbflächen und Bildern dekorierten Teaser am Seitenkopf sind weg; statt dessen zeigt der Titel nun freigestellte Porträtköpfe - wie bei der FAS. Außerdem ist die Schlagzeilenspalte auf der Eins vom rechten an den linken Rand gewandert und zum Inhaltsverzeichnis erweitert; insgesamt steht wieder mehr Text auf dem Titel.
Als neue Farbe im Innenteil kommt ein zart lindgrüner Hintergrund für den Nachrichten-Balken und andere Rubriken- und Spaltentitel hinzu; dabei ist Grün eigentlich die Farbe der Frankfurter Rundschau, die wiederum mit roten Kopfzeilen arbeitet. Ganz schlüssig ist die neue Strukturierung bisher auch noch nicht umgesetzt, aber die einzelnen Seiten wirken aufgeräumter als bisher.
Sonntaz am Samstag
Dass die relaunchte Zeitung an einem Samstag debütiert, ist kein Zufall. Das Wochenende spielt für die taz-Strategie eine wichtige Rolle. So ist die Wochenendausgabe ab sofort durchgehend farbig, und sie enthält ein neues Produkt: die "Sonntaz" - eine zum Debüt sogar 23-seitige, generell auf 20 Seiten angelegte Beilage, die sich jedoch weder im Format, noch gestalterisch von der Hauptausgabe unterscheidet.
Ursprünglich hatte die taz sogar mit einer eigenen Sonntags-Ausgabe geliebäugelt. Magazin-artig sollte sie sein, die Nachrichten der Woche mit Hintergründen auswerten und längere Lesestücke bieten, um dem größeren Zeit-Budget der Leserschaft am Wochenende entgegenkommen. Das war ja auch das Erfolgsrezept der FAS. Doch zur Sonntags-Lieferung fehlte der genossenschaftlich organisierten taz schlicht das Geld. Selbst der Spiegel verabschiedete sich unlängst wieder von seinem in einigen Städten eingeführten Sonntags-Vertrieb.
So kommt die von Georg Löwisch, bisher im Inlands-Ressort, geleitete Sonntaz schlussendlich schon am Samstag und muss sich zudem den Vorwurf gefallen lassen, gar nicht richtig "neu" zu sein. Schließlich gab es zuvor schon das taz mag. Allerdings will Löwitsch in der Sonntaz wieder mehr große journalistische Formate (wie die doppelseitige Reportage über den Dresdner Physiker Andreas Steinbach) unterbringen. Das wäre mehr als eine gute Kompensation für den Wegfall der allzu seichten taz zwei, die 2003 eingeführt wurde.
Hier könnte das Potential des taz-Relaunches verborgen liegen: Eine klassisch-saubere Trennung zwischen Nachricht (im ersten Teil) und Hintergrund (im zweiten), und als Herzstück eine Renaissance des Journalismus.