Beim Berliner Verlag, der mit der Berliner Zeitung das größte Abonnements-Blatt in der Hauptstadt herausgibt, bahnt sich erstmals im deutschen Pressewesen eine Übernahme durch ausländische Finanzinvestoren an. Ein Dreier-Konsortium aus zwei britischen Firmen und einem amerikanischen Investor verhandelt offenbar exklusiv mit dem Holtzbrinck-Verlag über einen Kauf.
In Stuttgart hält man sich dazu traditionell bedeckt. Dabei täte Aufklärung not. Vor allem verwundert, dass ein Konzern wie Holtzbrinck, der in Familienbesitz steht, zuerst mit Partnern verhandelt, die eine solchermaßen andersartige Geschäftskultur repräsentieren, zumal auch deutsche Verlage wie das Kölner Haus DuMont Schauberg jetzt öffentlich erklären, gerne verhandeln zu wollen, wenn man sie nur ließe. Am Preis soll es angeblich nicht liegen: Der wurde zunächst auf 150 Millionen Euro taxiert, soll aber inzwischen gestiegen sein. Zumindest diesen Zweck haben die Verhandlungen also erfüllt; die Kritik an Holtzbrinck dürfte nun aber erst richtig anschwellen.
Angloamerikanisches Konsortium
Aus dem angloamerikanischen Konsortium war als erstes der Name der britischen Beteiligungsfirma 3i durchgesickert, die sich bereits vergeblich um den Kauf der Frankfurter Rundschau bemüht hatte und zur Bildung einer Kette von Regionalzeitungen in Deutschland angeblich auch an der Sächsischen Zeitung interessiert ist.
Inzwischen sind zwei weitere Partner bekannt geworden: Die kürzlich an die Börse gegangene Firma Mecom des ehemaligen Chefs des Daily Mirror-Zeitungsgruppe, David Montgomery, der - ebenfalls erfolglos - um den Daily Telegraph mitgeboten hatte, sowie das amerikanische Investmenthaus Veronis Suhler Stevenson.
Montgomery, dessen Firma Mecom einen Anteil von 15 Prozent am Berliner Verlag anstrebt, war bereits in Berlin, um das Management des Berliner Verlags zu treffen. Besonders nahe gekommen ist man sich nicht. Im Gegenteil: Montgormery gilt als skrupelloser Sanierer. Ein Mecom-Sprecher sagt gegenüber der Financial Times Deutschland, man wolle bis Ende nächster Woche ein Kauf-Angebot vorlegen.
Furcht vor der Zerschlagung
In Berlin ist man über das drohende britische Engagement überhaupt nicht amused. Der Betriebsrat befürchtet eine Zerschlagung des Verlages, zu dem auch die Boulevardzeitung Berliner Kurier, das Anzeigenblatt Berliner Abendblatt und das Stadtmagazin Tip gehören. Von einem "Kulturbruch" spricht unterdessen SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier; sie forderte in der Südddeutschen Zeitung ein Konsortium deutscher Verlagshäuser zur Rettung der Berliner Zeitung. Die SPD-Medienholding dd.vg, die bereits die Frankfurter Rundschau vor der drohenden Pleite übernommen hatte, würde sich daran beteiligen.
Die Berliner Zeitung war einst SED-Bezirkszeitung in der Hauptstadt der DDR. Als nach der Wende der ostdeutsche Zeitungsmarkt unter den westdeutschen Verlagen aufgeteilt wurde, fiel sie an Gruner+Jahr. Doch der Zeitschriftenverlag verlor das Interesse am Zeitungs-Engagement im Allgemeinen und dem teuren Berliner Zeitungsmarkt im Besonderen und verkaufte Blatt und Verlag an Holtzbrinck, bereits Eigentümer des Konkurrenz-Blattes Tagesspiegel.
Die Stuttgarter übernahmen bei diesem Geschäft auch das Kartellrisiko - das hatte Folgen. Denn trotz mehrjährigen trickreichen Ringens gelang es Holtzbrinck nicht, sich gegen das Bundeskartellamtes durchzusetzen, dass dem zweitgrößten deutschen Regionalzeitungshaus untersagte, in Berlin zwei Abonnements-Zeitungen zu besitzen. Nachdem zunächst nur der Verlustbringer Tagesspiegel als Verkaufskandidat gehandelt wurde (und wohl auch weiterhin zum Verkauf steht), könnte es zuerst die Berliner Zeitung treffen; der Berliner Verlag schrieb zuletzt wieder neun Millionen Euro Gewinn.