Gnadenlos verreißt Manfred Bissinger im Tagesspiegel die Stefan-Aust-Biografie von Oliver Gehrs, dem er niedere Motive unterstellt. "Als 'Spiegel'-Medienmann war er (Gehrs, d. Red.)an seinem Chef Aust gescheitert [...]; er hatte also eine Rechnung mit ihm offen. Und als Autor suchte er aus seiner jahrelangen Material-Sammelei endlich Geld zu machen."
Kleine Randbemerkung. Journalisten haben für "Material-Sammelei" einen ehrenvolleren Begriff: Archiv. Und Geld wird Manfred Bissinger hoffentlich damals als Journalist bei der Woche auch verdient haben.
Doch Bissinger führt auch gravierendere Kritikpunkte ins Feld, nicht ohne Gehrs, dessen Buch er "nicht als Information, sondern als Anschlag" versteht, dabei ebenso hart anzugehen. Dem Aust-Biograf, schreibt er, hätten "zu Analysen jeglicher Art" die "Visionen" gefehlt, "obwohl die zwingend wären, will man das Handeln eines leitenden Redakteurs nach 1968 und heute vergleichbar beziehungsweise nachvollziehbar machen".
Wahrscheinlich spricht Bissinger (sich selbst bezeichnet er "als einen, der den heutigen 'Spiegel'-Chef bald vier Jahrzehnte gut kennt") nicht nur von Aust, sondern auch von sich selbst, wenn er Curchill zitiert ("Wer mit 20 kein Sozialist ist, hat kein Herz; wer mit 30 noch Sozialist ist, hat keinen Verstand."), Otto Schily und Josef Fischer als Läuterungs-Fälle nennt und auch noch diesen Satz schreibt: "Erfolgreiche Chefredakteure agieren heute – oft zu gleichen Teilen – als Journalisten und Manager." Da hat Oliver Gehrs wohl in ein Wespennest gestochen.