Es klingt wie eine Ausgeburt besonders schrägen Humors, dass Google ein Micropayment-System für Bezahl-Inhalte entwickeln will, das auch Nachrichten-Websites angeboten werden soll. Ausgerechnet Google, das Verlegern weltweit als Abschöpfer des Anzeigengeschäfts, Content-Klauer und Verlinkungs-Monopolist gilt! In Italien wurden die Mailänder Geschäftsräume des kalifornischen Unternehmens sogar Ziel einer Hausdurchsuchung durch die Wettbewerbsbehörde. Und diese Leute wollen nun den Verlagen ein Abrechnungssystem anbieten?
Micropayments, die sich rechnen
Klingt wie ein schlechter Scherz, ist aber purer Geschäftssinn. Google braucht so ein Bezahlsystem selbst, um in Zukunft neben dem Profit aus der automatischen Schaltung von Anzeigen eigene Dienste direkt mit dem Nutzer abrechnen zu können. Ein Problem von Micropayments besteht allerdings darin, dass kleine Zahlbeträge durch vergleichsweise große Abwicklungskosten und Provisionen aufgefressen werden. Warum also nicht Dritten - Content-Anbietern - offerieren, das System für einzelne Artikel-Abrufe ebenfalls zu nutzen?
"Dahinter steht der Gedanke, Zahlungen im Bereich von einem Cent bis zu mehreren Dollars zu ermöglichen, die sich rechnen, indem sie über mehrere Anbieter und einen gewissen Zeitraum hinweg gebündelt werden", schreibt Google selbst in einer Stellungnahme gegenüber der Newspaper Association of America, die im Juli eine Anfrage bei Technologiefirmen nach Umsetzungs-Möglichkeiten von Bezahl-Modellen gestartet hatte.
Einmalzahlungen oder Abonnements?
Google will demnach im kommenden Jahr Micropayments einführen und verspricht zudem, sein bislang nur "ziemlich rudimentäres" System für die Abrechnung von Abonnements zu verbessern. Bereits in diesem Herbst plant aber das Startup Journalism Online, sein Bezahlsystems für Zeitungs-Websites zu starten. Für Google als Bezahl-Dienstleister spricht, dass man mit Google News bereits die Technologie hat, die Nutzer zu den Inhalten führt. Fehlt also nur noch die virtuelle Geldbörse.
Ob sich Online-Abonnements oder Micropayments durchsetzen werden, weiß derzeit allerdings noch niemand, auch wenn die US-Zeitungsbranche derzeit unter hohem Leidens- und Kostendruck steht. Manche Branchen-Beobachter glauben auch, dass sich Paid Content im Internet überhaupt nicht durchsetzen kann; die Nutzer seien längst an kostenlose, werbefinanzierte Inhalte gewöhnt. Google selbst siedelt in seinem NAA-Statement Abonnements höher an als Zahlungen für einzelne Artikel: "Zwar wird es wichtig sein, eine Option für Micropayments bereitzuhalten. Wir glauben aber nicht, dass dies die Norm für den Content-Zugriff sein wird."
Sichtbar hinter der Bezahl-Mauer
Google arbeitet nach eigenen Angaben bereits mit Zeitungs-Websites daran, Inhalte, die hinter einer "Paywall" lagern, zu erschließen, ohne sie deshalb kostenfrei wegzugeben. "Soll Content nur noch gegen Bezahlung abrufbar sein, ist es genauso wichtig - wenn nicht sogar noch wichtiger - sicherzustellen, dass er trotzdem noch von Suchmaschinen auffindbar ist", sagte Josh Cohen, Produktmanager von Google News, dem Branchendienst paidcontent.org.
Zur Bezahlung von Abonnements und Micropayments will der Suchmaschinen-Konzern Google Checkout verwenden und erweitern. Dieses Bezahlsystem, das per Single-Sign-On mit einem Login über mehrere Anbieter hinweg genutzt werden kann, wurde 2006 als Googles Antwort auf Paypal gestartet. Doch während sich letzterer Anbieter dank seiner Mutterfirma Ebay im Online-Handel durchsetzen konnte, ist Google Checkout nicht einmal in den USA sonderlich stark akzeptiert. Nicht überall, wo Google draufsteht, ist auch eine marktbeherrschende Position drin.