Die Süddeutsche Zeitung ist der jüngste Neuzugang: "Schnell und schmutziabg" - und damit ganz anders als der täglich gedruckte Auswurf - sollen sie nach eigenem Bekunden werden, die Weblogs (kurz: Blogs), mit denen das Münchner Intelligenzblatt einem Trend folgt, der mit privaten Netz-Tagebüchern in den USA begann und schließlich auch bei den etablierten Medien in Deutschland angekommen ist.
Denn die Sache ist ja so: Schnell und schmutzig darf eine bürgerliche Tageszeitung gerade nicht sein. Sie muss nach eigenem Selbstverständnis objektiv und sachlich bleiben. Das klingt wie ein Befreiungsschlag für bloggende Journalisten, zumal - wie es in der Ankündigung der SZ-Weblogs heißt - "immer wesentlich mehr Informationen um professionelle Journalisten schwirren, als selbst in eine große Tageszeitung passen". Ist das Weblog also künftig für die dreckigen Kampagnen zuständig, während die Zeitung schön sauber bleibt?
Urknall mit Clinton/Lewinsky
In den USA hat man mit dieser medialen Janusköpfigkeit schon reichlich Erfahrungen gemacht. Dort setzten Blogger Nachrichten in die Welt, vor deren Veröffentlichung sich etablierte Medien scheuten, weil sie nicht ausreichend recherchiert oder auch zu heikel waren. Den Urknall dieser Entwicklung stellte die Enthüllung der Affäre von US-Präsident Bill Clinton mit der Praktikantin Monica Lewinsky durch Matt Drudge dar.
Angesichts der überwiegend harmlosen Plaudereien, die bislang zu lesen sind, scheinen solche Skandale in deutschen Zeitungs-Blogs unwahrscheinlich. Hier wird vor allem Subjektivität gefeiert, weshalb die Frage bleibt, wer das alles lesen soll. Das Weblog des Berliner Tagesspiegels beispielsweise, der schon im Juli auf den Zug aufgesprungen ist, kann im Vergleich zu etablierten privaten Blogs kaum Kommentare und "Trackbacks" - also Verweise von anderen Blogs - vorweisen.
Journalisten und Blogger
Der Vorteil der Printmarke zählt in der "Blogosphäre" nicht. Eher schon der Standesdünkel, den viele private Blogger professionellen Journalisten ankreiden. "Keine Konkurrenz zur Zeitung" zwischentitelte gerade erst die Berliner Zeitung in einem Text über das nicht von Journalisten gemachte Wahlblog.de.
Tatsächlich muss man kein Journalist sein, um täglich, stündlich oder auch minütlich mit Hilfe einer Weblog-Software die Öffentlichkeit wissen zu lassen, was einem auf den Nägeln brennt. Umgekehrt kann man - und tut dies bereits - als Journalist auch ganz privat bloggen. Auf Zeitungs-Weblogs hat die Welt also nicht gerade gewartet.
Schließlich wurde bei der Zeit schon vor Jahren die Online-Ausgabe mit täglichen Kolumnen aufgepeppt, weil den meinungsfreudigen Edelfedern des Blattes der Platz in der Druckausgabe zu klein war - verwunderlich, aber wahr. Das las sich zwar weder schmutzig noch hieß es Blog, zeigte aber, wie journalistische Schreibwut neue Betätigungsfelder findet, selbst wenn dies bedeutete, dass ältere Herren ein neues Medium akzeptieren mussten.
Die Autoren der neuen Zeitungs-Blogs sind hingegen vornehmlich jüngere, netzaffine Journalisten, die routiniert mit szenetechnologischen Begriffen wie "Blogroll" um sich werfen, bis es irgendwann einmal schick sein wird, als Journalist sein eigenes Blog zu schreiben. Vielleicht lässt sich damit sogar Geld verdienen: Das Journalisten-Netzwerk Jonet wird jedenfalls auf seinem nächsten Kongress die Tauglichkeit von Weblogs als Geschäftsmodell diskutieren, obwohl es dafür selbst in den USA noch wenig Beispiele gibt.
Derweil lässt der Focus nicht nur Journalisten, sondern auch leibhaftige Politiker unter seinem Dach bloggen. Dort reflektiert dann die SPD-Abgeordnete Andrea Nahles über den Wahlkampf: "Selten hat man als Politiker mal den Rücken so frei, hat so viel ungeteilte Zeit für den direkten Kontakt mit den Menschen. Es wird nicht erwartet, dass man Gesetze vorbereitet, in Berlin mit Interessenvertretern verhandelt oder schlicht seinem normalen Broterwerb nachgeht." Prädikat: Weder schnell noch schmutzig.
Nicht besonders spannend: Sender als Podcaster
Jünger als das Bloggen ist Podcasting. Hinter der modischen Begriffsverschmelzung verbirgt sich nichts anderes als Audio on demand, bei dem MP3-Dateien zunächst auf den eigenen Player (der nicht notwendigerweise ein Apple iPod sein muss) geladen und dann angehört werden können. Als erste ARD-Anstalt hat sich die Hörfunkwelle SWR2 im März als Podcaster versucht.
Allerdings stellen Hörfunksender wie das Deutschlandradio ohnehin schon Beiträge ins Netz - auch ohne den zeitgeistigen Titel zu verwenden. Besonders spannend sind potcastende Sender also nicht, weil es sich in der Regel um Übernahmen des regulären Hörfunkprogrammes handelt.
Interessanter wird es, wenn Hörfunkjournalisten in eigener Regie aktiv werden. So produzieren Berliner Radiomacher nebenbei das Küchenradio, eine Talkshow, die - nomen es omen - in einer Küche in Prenzlauer Berg produziert wird. Der Journalist Thomas Wanhoff stellt immer wieder sonntags einen Wissenschafts-Podcast ins Netz.
Wanhoff zählt auch zu den Gründern des im Aufbau befindlichen Verbandes Deutschsprachiger Podcaster. Ein Verband für ein Graswurzel-Medium - das klingt nun auch wieder nicht schnell noch schmutzig, mag aber die bessere Alternative zur Umarmung der Podcaster durch kommerzielle Kräfte sein.