"Spin Doctors" nennt man im angelsächsischen Raum jene Fachkräfte, die darauf spezialisiert sind, der öffentlichen Meinung einen gewissen Drall zu geben. Auch der ehemalige Journalist und derzeitige Superminister Wolfgang Clement versteht sich auf die
"Spin"nerei. Er hat es binnen weniger Monate geschafft, sich ein Problem, zu dessen Lösung ihm die Zeit davonlief, nicht nur vom Halse zu schaffen, sondern es auch jemand anderem anzuhängen.
Der Fall Holtzbrinck
Clements Problem, dass war der Wunsch des
Holtzbrinck-Verlages, die
Berliner Zeitung und den
Tagesspiegel gemeinsam zu betreiben. Dem stand das Kartellrecht entgegen. Ausgerechnet in dieser Situation kam der Bundesregierung die Idee, das Kartellrecht für das Verlagswesen zu novellieren.
Kaum jemand glaubte an einen Zufall. Springer-Chef Mathias Döpfner blieb gar einem informellen Termin beim Kanzler fern, weil er nicht an einer
"Lex Holtzbrinck" mitwirken wollte. Doch Clement stellte die Novellierung als gleichsam philantropische Tat dar: Es gehe um den Erhalt der Pressevielfalt in Deutschland, den Verlagen solle in der Werbekrise mit der Erleichterung der Rahmenbedingungen geholfen werden.
Verlage am Pranger
Nun finden die Verlage plötzlich am Pranger des Wirtschaftsministers wieder. Der stichelt ausführlich und wiederholt - zuletzt auf einer
DJV-Veranstaltung in Berlin-Mitte -, dass sich der
Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger nicht auf gemeinsame Vorschläge zur Änderung des Gesetzes einigen könne.
Clement, dessen Haus das Verfahren über die von Holtzbrinck beantragte Ministererlaubnis zehn Monate lang vor sich her schob, setzt die Verleger sogar unter Zeitdruck: Im nächsten Sommer will die Bundesregierung die geänderten Gesetze verabschieden. Dabei war ursprünglich bei der Novellierung gar nicht an eine Einbeziehung der Presse gedacht worden. Und noch Ende September teilte Clements Haus mit, dass eine Einbeziehung der Pressefusionskontrolle zwar denkbar, aber nicht notwendig sei. Woher also plötzlich die Eile, eine auch inhaltlich heikle gesetzgeberische Mission übers Knie brechen zu wollen?
Heterogene Verlags-Branche
Natürlich ist es Clement nicht verborgen geblieben, dass die Zeitungsverleger ein sehr heterogener Verein sind. Da stehen Familienbetriebe aus der Provinz neben dem Provinz-Giganten
WAZ-Gruppe oder Europas größtem Zeitungskonzern
Springer.
Aber die Regierung will ja nicht einfach nur die Bemessungsgrenzen für Fusionen lüften, sondern am liebsten einen Paradigmenwechsel herbeiführen: Im Kartellrecht soll um der Pressevielfalt willen festgeschrieben werden, dass die Redaktionen bei einer Fusion unabhängig bleiben. Die Verleger - und zwar große wie kleine - sehen darin aber eine Trennung von
"Geist und Kapital" (Döpfner). Das gab's in Deutschland noch nie und wird mit dem BDZV auch nicht zu machen sein.
All das weiß der
"Spin Doctor" Clement sehr gut. Aber den Schwarzen Peter hat er ja schon verteilt. Was auch immer die Verlage, die sich am 19. November entgültig zusammenraufen wollen, genau vorschlagen werden: Falls das neue Zeitungskartellrecht nicht kommen sollte, sind sie schon jetzt die Schuldigen.