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Wolfram Weimer tanzte nur einen Sommer beim "Focus"

Überbrückt: Wolfram Weimer
Foto: Hubert Burda Media
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Überbrückt: Wolfram Weimer
Foto: Hubert Burda Media
Sie tanzten nur einen Sommer. Der Focus hat seine Doppelspitze aufgelöst und den erst vor einem Jahr als Erneuerer angetretenen Wolfram Weimer wieder gehen lassen. Der 46-Jährige sollte dem zum Ratgeber-Heft ("44 Dinge, die ihr Leben positiv verändern werden") verblassten Nachrichtenmagazin nach dem Rückzug von Gründer Helmut Markwort Debattenkultur und neue politische Relevanz verleihen.

Doch die Chefredakteurs-Ehe von Weimer, einem ehemaligen FAZ-Wirtschaftsredakteur mit poetischer Ader ("Mit Goethe zum Gewinn"), der für den Schweizer Ringier-Verlag in Potsdam das Politkultur-Magazin Cicero gegründet hatte, und seinem Co-Chefredakteur Uli Baur aus der "Fakten, Fakten, Fakten"-Schule von Focus-Gründer Helmut Markwort eskalierte zum Rosenkrieg. Zuletzt sollen sich die beiden ungleichen Partner sogar vor versammelter Redaktion gestritten haben.

Markworts langer Schatten
Außerdem ist Markworts Schatten in München immer noch lang. Zwar wurde der 74-Jährige als Burda-Vorstand wie als Focus-Chefredakteur pensioniert, aber Markwort fungiert weiterhin als Herausgeber und Kolumnist ("Tagebuch"). Sein dunkler BMW parke nach wie vor demonstrativ direkt vor dem Haupteingang der Redaktion, raunte jüngst die Süddeutsche Zeitung. Kein Wunder, dass sich mit Uli Baur nun ein langjähriger Markwort-Schützling durchgesetzt hat. Der 55-Jährige solle das Heft künftig alleinverantwortlich führen, hieß es.

Publizistisch ist diese Weichenstellung schwer zu verstehen. Zwar versichert die Burda-Pressestelle, der von Weimer "begonnene Weg der inhaltlichen Erneuerung" werde "mit aller Konsequenz weiterverfolgt". Baur steht aber für den alten Nutzwert-Focus, der in den vergangenen Jahren sowohl an Auflage (II. Quartal 2011: 578.500 verkaufte Exemplare laut IVW, davon 119.000 im Einzelverkauf und 219.000 im Abo) als auch an Bedeutung verloren hat.

Andererseits: Zu Jahresbeginn stieg die Focus-Auflage zwar vorübergehend auf über 600.000 Exemplare an, aber dieser statistische Höcker dürfte weniger Weimers Wirken als vielmehr dem im Rahmen einer großen Werbeaktion auf einen ganzen Euro gesenkten Copy-Preis zu verdanken sein. Zum Vergleich: Der einstige Konkurrent Spiegel verkaufte im letzten Quartal wöchentlich im Schnitt 951.700 Hefte.

Was soll aus dem "Focus" werden?
Während Sieger (Markwort, Baur) und Verlierer (der zuständige Burda-Vorstand Philipp Welte, Weimer) dieses Machtkampfes werden bereits klar identifiziert werden und die FAZ eine "Führungskrise bei Burda" diagnostiziert, taucht aus dem Dunst des Schlachtgetümmels eine große Frage auf: Was soll nur aus dem Focus werden? Immerhin: Der Journalisten-Blogger Christian Jakubetz twitterte bereits einen Vorschlag für den nächsten Titel: "50 Strategien, den Chef zu feuern."
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