Aufgeräumt mit Trauerrand: taz.de erfindet sich neu
Artikel
| 14.06.2007
Die taz war 1995 die erste deutsche Tageszeitung im Netz; nun ist sie die vorerst letzte, die sich auf der aktuellen Relaunch-Welle "neu erfindet", wie Online-Chef Matthias Urbach im Editorial zum heutigen Neustart schreibt. Die Themen der neuen Hauptnavigation (Politik, Zukunft, Debatte, Leben, Sport, Wahrheit) zeigen, wohin die Reise gehen soll: Die Website emanzipiert sich von der gedruckten Ausgabe, die sie bislang 1:1 gespiegelt hatte.
Das heißt nicht, dass man künftig auf die Artikel der Print-Ausgabe verzichten müsste. Sie sollen sogar schon vor Drucklegung erscheinen - wenn auch nicht mehr jede einzelne Kurzmeldung. Die veränderte Navigation bringt es allerdings mit sich, dass man sich zu vielen Zeitungsressorts erst mühsam durchklicken muss. Alte Links funktionieren auch weiterhin - schön.
Künftig will taz.de auch Internet-exklusive Inhalte "vor allem zu den Themen Wissen, Internet und Konsum" bringen. Dazu kommen die Blogs, die schon vor dem Relaunch online standen, und bekannte Spezialitäten wie die Satireseite "Wahrheit" oder die Karikaturen von Tom, die nun besser in Szene gesetzt werden.
All dies wird sehr aufgeräumt präsentiert, aber auch ohne Überraschungen. Das Layout orientiert sich an bekannter Zwei- bis Dreispaltigkeit. Die einzigen Extravaganzen, die sich die Designer leisteten, sind ein pechschwarzer, riegelförmiger Rahmen und eine markante Datumszeile, auf der Web-2.0-verwöhnte User noch so oft herumklicken können: Das Datum bleibt ein Datum bleibt ein Datum - und ist im Minuten-Medium Internet reichlich überflüssig.
Auch der schwarze Trauerrand könnte falsche Assoziationen wecken: Ist die taz etwa pleite? Aus Usability-Sicht ist er einfach nur überflüssig, denn er nimmt Platz weg. Nebenbei sorgt der Rahmen dafür, dass das Format nicht mehr stimmt: Die unvermeidliche Bannerwerbung im Seitenkopf sieht deshalb aus, als wäre sie verrutscht.
Dass das Online-Budget unserer kleinen Berliner Tageszeitung nicht mit dem vergleichbar ist, was man in München oder Hamburg an Geld in die Hand nimmt, ist klar. Aber manchmal soll Armut ja auch sexy sein. Etwas Unkonventioneller hätte der Neustart von taz.de schon sein dürfen.
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