Journalisten - Opfer der Propagandamaschine
Die europäischen Medien haben im Kosovokrieg geradezu kritiklos die Sichtweise der NATO übernommen. Das geht aus einer an der Stockholmer Södertörn-Universität entstandenen Studie hervor, die pikanterweise im Auftrag des schwedischen Amtes für psychologische Verteidigung entstanden ist - einer Regierungsbehörde, die mit der Steuerung der öffentlichen Meinung in Krisensituationen befasst ist.
Die Forschungsarbeit diente denn auch dem Ziel, die Propagandastrategie der Allianz zu analysieren und daraus Rückschlüsse für die Zukunft zu ziehen. Das Ergebnis ist für die Medien alles andere als schmeichelhaft: Presse und Fernsehen hätten sich "von einem kritischen Kontrolleur der Staatsmacht zu einer vierten Waffengattung neben Heer, Luftwaffe und Marine" verwandelt und sich in eine "unkritische Kampagne für die Sache der Kosovoalbaner einspannen" lassen. Den Journalisten weisen die skandinavischen Forscher ein bereitwillige Übernahme des US-Weltbildes und die Tendenz zu freiwilliger Gleichschaltung nach.
Ausgewertet wurden zwar nur schwedische und - in einem weiteren Vergleichschritt - britische Medien. "In weiten Teilen dürfte die Studie aber auch für Resteuropa repräsentativ sein", schreibt taz-Korrespondent Reinhard Wolf, der die Arbeit erstmals in einer deutschen Tageszeitung vorstellte. Das Papier ist auch online verfügbar, allerdings nur in schwedischer Sprache mit einer englischen Zusammenfassung, aus der die hier übersetzten Zitate stammen.
Was die Rolle des Journalismus' angeht, decken sich die Erkenntnisse durchaus mit anderen Studien: So registrierte der Publizistikprofessor Hans Mathias Kepplinger bei der Analyse der Skandalberichterstattung in den letzten Jahren (BSE, "Brent Spar") in den Reihen der Berichterstatter eine "Einheitsfront" mit "totalitären Zügen". Die Hauptschuld daran trägt die schlechte Sachkenntnis der Journalisten, die nur zum Teil auf objektive Gründe wie unzugängliche Quellen geschoben werden kann.
Die Ahnungslosigkeit der Medienmenschen, die bei der Skandalberichterstattung leicht in Panikmache münden kann und im Falle Jugoslawiens offenbar in Kriegspropaganda umkippte, paart sich vorzüglich mit der Kurzlebigkeit der Information im modernen Medienzeitalter. Schnelle Produktionsprozesse und der Aktualitätswettbewerb wecken erst recht keinen Appetit mehr auf tiefergehende Analyse. Hinzu kommt ein beruflicher Herdentrieb von Journalisten - sie orientieren sich an bestimmten Leithammeln und -medien, zumal in Zeiten der Desorientierung und -information.
So begann der Stockholmer Studie zufolge die kritiklose Übernahme von gefilterten NATO-Informationen schon bei den internationalen Nachrichtenagenturen. Sie setzte sich dann bruchlos in den Redaktionen von deren Abnehmern fort. Unter dem Strich war die Berichterstattung im neutralen Schweden kaum vor der im NATO-Land Großbritannien zu unterscheiden - lediglich bei der Bebilderung griffen schwedische Medien zu drastischeren Aufnahmen dessen, was Propagandisten euphemistisch-verharmlosend "Kollateralschäden" getauft hat.
Folgt man der Untersuchung, dann waren die europäischen Medien in ihrem vorauseilenden Gehorsam kritikloser als ihre Konsumenten. Für einen Journalismus, der sich als kritisch versteht, eine schallende Ohrfeige. Doch damit nicht genug. Die Studie sagt den traditionellen ("Mainstream"-) Medien nämlich auf den Kopf zu, dass sie ihr Monopol als Meinungsmacher in Zeiten der Globalisierung und Medienkonvergenz zu verlieren drohen: Von der Öffentlichkeit würden sie zunehmend als "Machtelite von eigenen Gnaden" wahrgenommen.
Man muss sich das wohl so vorstellen: Ein Journalismus-Eintopf, der nur noch im Sud der eigenen Bedeutsamkeit vor sich hin köchelt. Und keiner will mehr davon essen.
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26.01.2002
Netzpresse
Kommentare:
Sebastian Zachow-Vierrath, Gast: Journalismus
R. Hütter, Gast: Journalismus
Zuletzt bearbeitet 31.12.2002 17:18 Uhr