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Kein Internet ohne Videorekorder: Ministerpräsidenten einigen sich über neues Rundfunkgesetz

Die deutsche Rundfunkpolitik muss ein Herz für Videorekorder haben. Auf ihrer Tagung in Dresden entschieden sich die Ministerpräsidenten der Länder dafür, den öffentlich-rechtlichen Mediatheken ein Verfalls-Datum aufzustempeln: Viele Sendungen dürfen nur noch sieben Tage nach der TV-Ausstrahlung abrufbereit gehalten werden, Sportübertragungen sogar nur 24 Stunden. Womit DVDs, CDs und sogar die guten, alten Videokassetten als (nicht gerade umweltfreundliche) Archivierungsmedien im Spiel bleiben.

Dieser zurecht umstrittene Paragraf ist nur ein Detail des zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrages, doch er zeigt exemplarisch, zu welcher Flickschusterei sich die Bundesländer stellenweise haben hinreißen lassen, um vergangene Versäumnisse zu reparieren und zwischen Öffentlich-Rechtlichen und privater Medienwirtschaft einen Interessenausgleich im Kampf um das Internet herzustellen. Denn natürlich gibt es weder aus technischer Sicht noch aus Nutzer-Perspektive einen vernünftigen Grund für den raschen Gedächtnisverlust der Mediatheken.

Ohne Änderung durchgewunken
Doch irgendwann muss Schluss sein. Nachdem sich die Staatskanzleien und ihre Referenten monatelang den Kopf zerbrochen hatten über diesen "Telemedien"-Schrecken ohne Ende, ging es in Dresden nun ganz schnell mit der Einigung über den künftigen Vertrag. Der vorgelegte Entwurf wurde von den Ministerpräsidenten durchgewunken - ohne Änderung, wie Kurt Beck, Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder, stolz mitteilte.

Schon am Mittag meldete sich Sachsen-Anhalts Landeschef Wolfgang Böhme zu Wort: Die Neufassung des Staatsvertrages halte den öffentlich-rechtlichen Sendern alle modernen Verbreitungswege offen. Allerdings müssen nicht nur neue, sondern auch bereits bestehende Internet-Angebote der Öffentlich-Rechtlichen einen sogenannten Drei-Stufen-Test durchlaufen, um einen Gebührenfinanzierungs-würdigen "publizistischen Mehrwert" unter Beweis zu stellen.

Ob man diesen erstmaligen Public-Value-Test als Verbraucher-freundliche Chance begreift oder als bürokratisch-juristisches Ungetüm - wie öffentlich-rechtliche Sendervertreter und Verleger in seltener Einmütigkeit unkten -, liegt im Auge des Betrachters. Entscheidend für seine Glaubwürdigkeit wird jedenfalls sein, dass nicht nur Rundfunkräte über den Wert der Programme entscheiden.

Rosinen für fast alle
Fast jede Partei kann sich nun aus dem neue Vertragswerk eine Rosine herauspicken. Der ARD-Vorsitzende Fritz Raff hob hervor, dass Unterhaltung als Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Teil der Grundversorgung auch im Internet nicht mehr in Frage stehe. Die Zeitungsverleger lobten, "dass die Ministerpräsidenten bei den presseähnlichen Internetangeboten von ARD und ZDF klare Grenzen gezogen haben". Was auch immer das genau bedeutet: presseähnlich.

Nur von der Privatfunker-Lobby VPRT war kein Beifall zu vernehmen. Obwohl sie es waren, die mit ihrem Gang zur EU-Kommission in Brüssel die deutschen Rundfunkpolitiker dazu verdammt hatten, etwas zu tun, stehen die Privatsender heute schlecht da. ARD und ZDF werden dagegen ihre jeweils drei zusätzlichen Digitalkanäle wohl behalten dürfen - plus einem neuen digitalen Hörfunk-Kanal für das Deutschlandradio.

Am 11. November ist noch eine Anhörung mit Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern, VPRT und Vertretern der öffentlich-rechtlichen Anstalten geplant. Auch in Brüssel wollen sich die Ministerpräsidenten ihr Konzept noch bestätigen lassen, ehe der Vertrag am 18. Dezember unterschrieben und dann von den 16 Länderparlamenten verabschiedet werden soll. Im Mai 2009 muss das neue Rundfunkgesetz in Kraft treten.
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