Lokal, hyperlokal, nicht egal: Experimente mit Lokaljournalismus im Web
Artikel
| 19.08.2009
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+ Während die Zeitungsverlage ihre Lokalredaktionen schließen, als wäre ihnen die Bodenhaftung vor Ort egal, sprießen Blogs mit viel lokaljournalistischem Anspruch - oft allerdings auch mit wenig finanziellem Rückhalt - nur so aus dem Boden. "Seinen Job lieben und die Leser ernst nehmen" war denn auch ein Interview mit dem Journalisten Hardy Prothmann bei Onlinejournalismus.de überschrieben. Prothmann hatte im April in Eigeninitiative ein Blog für seinen Wohnort Heddesheim gestartet. Auslöser war die seiner Ansicht nach unkritische Berichterstattung im Mannheimer Morgen über eine Industrieansiedlung im Dorf.
Von Heddesheim nach Washington D.C.
In den USA ist man da geschäftsmäßig schon weiter. Das Startup Everyblock ist gerade für ein paar Millionen Dollar an MSNBC.com verkauft worden, und keine geringere als die Washington Post lancierte im Juli die Website LondoumExtra, nicht eben bescheiden angekündigt als "aggressiver Online-Push in den hyperlokalen Journalismus" mit dem Ziel, "traditionelle Reporter und Fotografen mit Bloggern, Videografen und mit Datenbanken von Schulen, Geschäften und Kirchen zu verbinden". Schauplatz: Londoum County, eine Gemeinde vor dern Toren der Hauptstadt, die auch Standort des Dulles International Airport ist.
Nicht viel mehr als einen Monat später ist das Experiment allerdings schon wieder abgesagt. "Wir haben festgestellt, dass unser Experiment mit LoudounExtra.com als eigenständiger Website kein zukunftsfähiges Modell war", sagte eine Verlagssprecherin. Weitere geplante hyperlokale Sites für Northern Virginia, Maryland und das Stadtgebiet wird es nicht mehr geben.
Der Knackpunkt ist, dass sich Lokalberichterstattung auch im Zeitalter von Crowdsourcing und Bürgerjournalismus nicht von selbst schreibt, fotografiert und filmt. "Die Herausforderung besteht darin, dass es teuer ist, Reporter zu engagieren, die über Autodiebstähle, Schulversammlungen und Geschäftseröffnungen berichten - ebenso wie Anzeigenverkäufer zu engagieren, die lokale Geschäfte besuchen und Anzeigen verkaufen", warnt die New York Times, die selbst mit zwei Stadtteil-Blogs in den Hyperlokal-Journalismus eingestiegen ist.
Jeff Jarvis' Planspiele
Damit hätte das Heddesheimblog das Großzeitungs-Projekt aus dem fernen Amerika also schon einmal überlebt. Ein Jahr lang kann sich Blogger Prothmann nach eigenen Angaben selbst über Wasser halten. Wie es dann wirtschaftlich weitergehen könnte, hat der viel zitierte Journalismus-Professor Jeff Jarvis gerade seine Studenten am Beispiel der 25 größten Medienmärkte der USA durchrechnen lassen.
Jarvis' Planspiel geht so: 99 Hyperlokal-Blogger schließen sich in einem regionalen Netzwerk zusammen und verkaufen gemeinsam Anzeigen. In einem Ballungsraum mit fünf Millionen Einwohnern könnte dann jedes Blog im dritten Jahr zwischen 26.000 und 66.000 Dollar erwirtschaften. Die Rechnung steht und fällt damit, dass das Blog-Netzwerk eine Reichweite von 60 Prozent erzielt - und dass die konkurrierende Lokalzeitung bereits eingegangen ist.
Nicht nur deshalb stieß Jarvis' ModeIlrechnung auf wenig positive Resonanz. In der Realität dürften sich die meisten bloggenden Journalisten davon ernähren, dass sie neben ihrem eigenen Blog auch noch Artikel an Verlage verkaufen. Oder sie haben sogar die Hoffnung, bei Erfolg gänzlich als Blogger eingekauft zu werden.
Lokaljournalismus als Simulation
Natürlich kann man es auch so machen wie das Startup Everyblock und den Lokaljournalismus nur simulieren. Hinter der modernen, Web-zwei-nulligen Oberfäche steckt eine Software-Automatik, die Inhalte aus Aggregatoren, Polizeiberichten und Anzeigen sortiert, auf Landkarten lokalisiert und per Geo-Tagging mit Flickr-Fotos kombiniert. Gewiss ein hübsches Stück Software, aber ein völlig blutleeres Beispiel für Lokaljournalismus.
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