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Deutscher Fernsehpreis: Literaturpapst und Haribo-Zottelbär

Ohne das Fernsehen wäre Marcel Reich-Ranicki nicht zum Literaturpapst geweiht worden. Besonders dankbar ist der Kritiker dafür nicht. Bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises lehnte der 88-Jährige die Annahme einer Auszeichnung für sein Lebenswerk ab.

Anstelle der erwarteten Dankesrede sagte Reich-Ranicki, er gehöre nicht in die Reihe der Ausgezeichneten und könne "diesen Gegenstand" höchstens jemandem vor die Füße werfen. "Und ich finde es schlimm, dass ich das hier vier Stunden lang erleben musste." Das ZDF schnitt die schräge Szene - anders als andere Veranstaltungs-Unfälle - in seiner aufgezeichneten Ausstrahlung nicht heraus.

ARD als Informations-Gewinner
Das war mal etwas Neues beim Deutschen Fernsehpreis, wo die Branche normalerweise mit Ehrungen nur so um sich wirft, dass am Ende jeder noch etwas abbekommt. Sieben Statuen (und zwei Förderpreise) heimsten diesmal die ARD-Sender ein, darunter die Auszeichnungen für die erst zu nächtlicher Stunde versendete beste Dokumentation (Eric Fiedler und Barbara Siebert - "Das Schweigen der Quandts"), die beste Reportage (Sven Kuntze - "Alt sein auf Probe") und den besten Auslandsreporter (Maike Rudolph aus Birma).

An sechs Preisen war das ZDF beteiligt, sogar an acht RTL - dank Doctors Diary und Deutschland sucht den Superstar. Selbst ProSiebenSat.1 wurde drei Mal genannt, darunter in der Kategorie beste Comedy ("Switch Reloaded"). Eurosport bekam eine Auszeichnung für seine Olympia-Berichterstattung.

Nur Reich-Ranicki wollte nicht in einer Reihe mit diesem "Blödsinn" genannt werden. Schließlich musste Moderator Thomas Gottschalk den Skandal abbiegen, indem er Reich-Ranicki dazu überredete, in einer Diskussionssendung mit Intendanten und Privat-TV-Chefs "über Bildung, über Lesen, über Erziehung" zu sprechen. Im Gegenzug bot der Literaturpapst dem Haribo-Zottelbär Gottschalk das Du an, und die Preisverleihungs-Muzak fidelte dazu. Das war schon wieder grotesk.

Am 17. Oktober um 22.30 Uhr - nach dem Prime-time-Blödsinn - will das ZDF nun Reich-Ranicki über Qualität im Fernsehen diskutieren lassen, ein Thema, bei dem die Öffentlich-Rechtlichen gerne alle Kompetenz für sich reklamieren. Der Sendeplatz war schnell freigeräumt. Kein Wunder. Vom 22. bis 24. Oktober tagen die Ministerpräsidenten der Länder. Dann dürfte es zum Spruch über den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag kommen.
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