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RTL, der Jugendschutz und die Geschmackspolizei

Das Lächeln des Erfolges: Inka Bause kommt bei RTL auch ohne Trash groß raus.
Foto: RTL
Das Lächeln des Erfolges: Inka Bause kommt bei RTL auch ohne Trash groß raus.
Foto: RTL
Manchmal, wenn Oliver Geißen auf dem Charts-Sofa herumlümmelt oder die nächste Kakerlaken-Dusche droht, möchte man RTL die Geschmackspolizei herbeiwünschen. Alarmstufe rot-gelb-blau herrscht auch dann, wenn Unterhaltungs-Chef Tom Sänger bei der Präsentation der neuen TV-Saison ein "richtig spaßiges Unterhaltungsformat" verheißt. Klingt schwer nach Pop-Titan, bedeutet in diesem Fall aber wohl nicht "spaßig wie Dieter Bohlen". Denn die neue Sorte "Spontan-Casting-Show", die der Programm-Macher Sänger da anpreist, wird von der freundlichen Inka Bause moderiert.

Bause ist keine Frau Bohlen
Die 39-Jährige begann ihre Show-Karriere als Popsängerin in der DDR mit NDW-angehauchten Schlagern ("Spielverderber"), die ihr Vater Arndt Bause komponiert hatte. 20 Jahre später hat sich der singende Twen bei RTL als Moderatorin ("Bauer sucht Frau", "Papa gesucht") profiliert. Ganz auf Trash - ein Genre-Begriff, mit dem sich auch der gröbste Misthaufen noch zu Selbstironie kompostieren lässt - mag RTL aber nicht verzichten: Als Partner für "Die singende Firma" bekommt die nette Inka den Sänger Ross Antony zur Seite gestellt. Im Herbst soll die Aufsteigerin dann sogar eine eigene Samstag-Abend-Show bekommen.

Auffällig ist, dass RTL seine bekannt erfolgreichen Showkonzepte wie Klon-Schafe repliziert, während der Sender mit fiktionalen Programmen scheitert - sei es aus Risikolosigkeit, sei es aus Mangel an guten Büchern und Produktionen. Schon legendär ist die Einstellung der Serie "Die Anwälte" nach genau einer Folge. Auch die laufende Staffel von "Post Mortem", einer weiteren ambitionierten Anwaltsgeschichte, wird wohl nicht fortgesetzt.

Formatierte Zielgruppe
Vielleicht ist es auch so, dass RTL seine "Zielgruppe" 14 bis 49 viel zu gut formatiert hat: Das Publikum erwartet entweder amerikanische Serien-Originale wie Dr. House und den Dauerbrenner CSI - oder eben die heimische Soap-, Quiz- und Show-Ware. Und natürlich "Deutschland sucht den Superstar", das in der nächsten Runde noch seifiger werden soll: Noch eindringlicher als bisher schon möchte RTL die Geschichten der Kandidaten erzählen. Emotionen! Emotionen!

Für Emotionen der schadenfrohen Art ist ja Dieter Bohlen zuständig, dessen niederschwellige Schenkelklopfer-Sprüche zuverlässig jenes moralische Niveau unterschreiten, das Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn so gerne für die Unternehmenskultur seines Hauses reklamiert. Bertelsmann ist immerhin die Muttergesellschaft von RTL. Kaum zu glauben, wie billig - in mehrfacher Hinsicht - die Kölner ihre Marktführerschaft verteidigen können, zumal die Konkurrenz von ProSiebenSat.1 in einer hausgemachten Krise steckt.

Desorientierende Wirkung
Nicht die Geschmackspolizei, sondern die Kommission für Jugendmedienschutz hat jetzt die Verhängung einer saftigen Strafe von 100.000 Euro gegen RTL bestätigt. "Beleidigende Äußerungen und antisoziales Verhalten" würden dort "als Normalität" dargestellt und könnten "vor allem auf Kinder unter 12 Jahren desorientierend wirken", heißt es zur Begründung. Ob RTL zahlen wird, steht noch nicht fest.

Hinter der Kommission stehen die Landesmedienanstalten; die können mit der Strafaktion im Namen des Jugendschutzes auch mal Zähne zeigen. Das RTL-Publikum über zwölf Jahre halten die Programmwächter dagegen offenbar bereits für so "desorientiert", dass ihm auch nicht mehr zu helfen ist. Da wünscht man sich wirklich mal die Geschmackspolizei herbei.
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