Sie befinden sich hier:

Gottseidank, das Springer-Tribunal findet nicht statt

Im wilden Jahr 1968 war's, als Mitstreiter und Sympathisanten der Studentenbewegung ein Springer-Tribunal planten. Gut 40 Jahre später - das Thema wurde plötzlich wieder aufgerollt, als sich der Polizist Kurras, der den Studenten Benno Ohnesorg erschoss, als Stasi-Spitzel entpuppte - verkündete Springer-Chef Mathias Döpfner die Idee, das damals ausgefallene Tribunal doch noch durchzuführen. Das war Anfang Juli. Jetzt hat der Verlag das Tribunal beleidigt abgesagt.

"Die maßgeblichen Akteure der 68er-Bewegung haben unser Gesprächsangebot leider zurückgewiesen und damit die Chance zur erneuten Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit und die der damaligen Gegner vertan", lässt sich Döpfner in einer Pressemitteilung zitieren und fügt altväterlich hinzu: "Dazu gehören ausdrücklich auch die journalistischen Fehler, die unser Haus damals gemacht hat".

Frontdenken! Gnadenbrot!
"Es ist armselig, wenn die Anti-Springer-Aktivisten von einst vier Jahrzehnte nach 1968 noch immer am alten Frontdenken festhalten", kommentiert der zum Welt-Chefredakteur konvertierte Ex-68er Thomas Schmid schneidig, während Willi Winkler in der Süddeutschen zurückhöhnt: "Es ist dem Haus Springer nicht hoch genug anzurechnen, dass es dem ehemaligen Revolutionär auf seine älteren Tage Unterschlupf gewährt. Marketingtechnisch ist das auch nicht falsch, denn wie könnte Schmid anders, als das Lied des Herren zu singen, dessen Gnadenbrot er verzehren darf".

Kurioserweise hat Winklers wütende Replik in der auf Sueddeutsche.de publizierten Version des gedruckten Artikels einen Titel bekommen, der die Intention des Originals völlig entstellt. "Mit der Zeit vergeht die Lust - sogar auf 68", lautet online die Überschrift. Vielleicht die Wunschvorstellung eines unschuldigen Internet-Redakteurs, das ganze Theater, das vermutlich irgendwo zwischen Pathos, Propaganda und Palaver versandet wäre, endlich zu beenden?

Vor 40 Jahren hat das Tribunal nicht stattgefunden, obwohl es als Befreiungsschlag gegen die Dominanz der als hetzerisch empfundenen Springer-Presse in die Zeit gepasst hätte. Heute muss man wohl darüber glücklich sein, dass es nicht nachgeholt wird.
Sie sind: Gast | Login | Registrieren