Das Fernsehen wird älter, die Werbung braucht eine neue Zielgruppe
Artikel
| 20.07.2011
Das Fernsehen hat eine neue Zielgruppe. Zu den 14- bis 49-Jährigen, der sogenannten "werberelevanten Zielgruppe", kommen nun die 20- bis 59-Jährigen, jedenfalls beim Branchenführer. RTL weist beide Segmente separat aus und nennt neuerdings "20-59" sogar an erster Stelle. Dahinter steht das Kalkül, eine neue Quoten-"Währung" bei der Werbezeitvermarktung einzuführen. "Deutschland wird älter, dem Fakt kann man sich nicht verschließen", sagte RTL-Chefin Anke Schäferkordt dem Branchendienst DWDL.
Warum Deutschland ausgerechnet jetzt zehn Jahre älter werden soll und ein junger Mensch nach der gesetzlichen Volljährigkeit noch zwei Jahre warten muss, ehe er die Weihen der neuen Zielgruppe empfangen darf - wer weiß das schon genau? Auch die Gruppierung "14-49" war nur ein willkürlicher Schnitt, ein "Mythos" (Stefan Niggemeier), den die Werbekunden den Fernsehleuten und ihren Vermarktern abkauften, um sich eine junge und vermeintlich attraktive Zielgruppe ausmalen zu können.
Ökonomisch fragwürdiger Jugendkult
Aus ökonomischer Sicht ist dieser Jugendkult fragwürdig, denn Kaufkraft kennt keine Altersgrenze: Nicht nur hat sich das Konsumverhalten der Alten längst dem der Jungen angeglichen, auch sind die konsumkräftigsten Konsumenten heute zwischen 50 und - siehe da! - 59 Jahre alt. So stand es schon 2008 in der Fachzeitschrift Media Perspektiven zu lesen.
Wenn die altersmäßige Zielgruppen-Definition aber am Konsumverhalten vorbei zielt, warum spielt sie dennoch eine so große Rolle?
Der frühere RTL-Vermarktungschef Uli Bellieno hat die Zielgruppe im NDR-Medienmagazin Zapp einmal als "wunderbaren Vermarktungstrick" bezeichnet. Tatsächlich war es Helmut Thomas einstiger Tutti-Frutti-Sender, der "14-49" zuerst propagierte, und vielleicht ist "20-59" ja nur ein weiterer Griff in die Trickkiste.
Versteckte Preiserhöhungen
Als der RTL-Vermarkter IP Deutschland am 10. Dezember 2010 erstmals Zahlen für das neue Segment publizierte, erkannte der Kommunikationsdienst W&V die Branche "entzweit": Zwar trage die Anhebung des Alters der demografischen Entwicklung und der Veränderung der Mediennutzung Rechnung. Aber die neue, zahlenmäßig größere Zielgruppe könne auch zum Vehikel für "versteckte Preiserhöhungen" werden.
Fest steht: Das Zielgruppen-Design lässt die öffentlich-rechtliche Konkurrenz, die beim Gesamtpublikum sehr gut abschneidet, im wahrsten Sinne des Wortes alt aussehen. ARD und ZDF, so höhnte erst kürzlich wieder der Focus, schöben eine "Bugwelle der Betagten" vor sich her. Das "Kukident"-Bashing der Öffentlich-Rechtlichen ist schon rituell, dabei hat die Printbranche selbst ein Altersproblem beim lesenden Publikum.
Laut den von Media Control für den Focus zwischen April 2010 und März 2011 ermittelten Zuschauer-Zahlen kommen die Dritten Programme der ARD auf das höchste Durchschnittsalter, an der Spitze das Bayerische Fernsehen mit 64 Jahren. Doch auch das Publikum der Privatsender wird älter. Der durchschnittliche RTL-Zuschauer ist 46 und damit fast am Ende der bisherigen Zielgruppe-Alterspyramide.
ProSieben wäre der große Verlierer
Die RTL-Vermarkter würden "20-59" nicht als neue Referenz puschen, läge der Kölner Sender auch dort nicht weiterhin an der Spitze, müsste allerdrings - so zeigen die Auswertungen bei DWDL - Verluste gegenüber "14-49" hinnehmen. Übrigens ist auch die ARD-Werbung der neuen Alters-Formel gegenüber nicht abgeneigt. Die größten Einbußen hätte hingegen Konkurrent ProSieben (Durchschnittsalter: 35) zu verzeichnen, der sich in der "20-59"-Gruppe sogar hinter dem Schwestersender Sat.1 (Durchschnittsalter: 51) einreihen müsste.
Kein Wunder, dass die ProSiebenSat.1-Gruppe mit ihrer Vermarktungstochter SevenOne Media da nicht mitmachen will. Jedenfalls noch nicht. Denn auf Dauer wird man sich auch im Münchner Norden der Bevölkerungsentwicklung nicht verschließen können.
Die Zeit arbeitet für "20-59". ProSiebenSat.1-Chef Thomas Ebeling ist übrigens auch schon 52 und damit aus der Zielgruppe seiner Sender herausgefallen. Dabei ist er doch im allerbesten Konsumenten-Alter.
Warum Deutschland ausgerechnet jetzt zehn Jahre älter werden soll und ein junger Mensch nach der gesetzlichen Volljährigkeit noch zwei Jahre warten muss, ehe er die Weihen der neuen Zielgruppe empfangen darf - wer weiß das schon genau? Auch die Gruppierung "14-49" war nur ein willkürlicher Schnitt, ein "Mythos" (Stefan Niggemeier), den die Werbekunden den Fernsehleuten und ihren Vermarktern abkauften, um sich eine junge und vermeintlich attraktive Zielgruppe ausmalen zu können.
Ökonomisch fragwürdiger Jugendkult
Aus ökonomischer Sicht ist dieser Jugendkult fragwürdig, denn Kaufkraft kennt keine Altersgrenze: Nicht nur hat sich das Konsumverhalten der Alten längst dem der Jungen angeglichen, auch sind die konsumkräftigsten Konsumenten heute zwischen 50 und - siehe da! - 59 Jahre alt. So stand es schon 2008 in der Fachzeitschrift Media Perspektiven zu lesen.
Wenn die altersmäßige Zielgruppen-Definition aber am Konsumverhalten vorbei zielt, warum spielt sie dennoch eine so große Rolle?
Der frühere RTL-Vermarktungschef Uli Bellieno hat die Zielgruppe im NDR-Medienmagazin Zapp einmal als "wunderbaren Vermarktungstrick" bezeichnet. Tatsächlich war es Helmut Thomas einstiger Tutti-Frutti-Sender, der "14-49" zuerst propagierte, und vielleicht ist "20-59" ja nur ein weiterer Griff in die Trickkiste.
Versteckte Preiserhöhungen
Als der RTL-Vermarkter IP Deutschland am 10. Dezember 2010 erstmals Zahlen für das neue Segment publizierte, erkannte der Kommunikationsdienst W&V die Branche "entzweit": Zwar trage die Anhebung des Alters der demografischen Entwicklung und der Veränderung der Mediennutzung Rechnung. Aber die neue, zahlenmäßig größere Zielgruppe könne auch zum Vehikel für "versteckte Preiserhöhungen" werden.
Fest steht: Das Zielgruppen-Design lässt die öffentlich-rechtliche Konkurrenz, die beim Gesamtpublikum sehr gut abschneidet, im wahrsten Sinne des Wortes alt aussehen. ARD und ZDF, so höhnte erst kürzlich wieder der Focus, schöben eine "Bugwelle der Betagten" vor sich her. Das "Kukident"-Bashing der Öffentlich-Rechtlichen ist schon rituell, dabei hat die Printbranche selbst ein Altersproblem beim lesenden Publikum.
Laut den von Media Control für den Focus zwischen April 2010 und März 2011 ermittelten Zuschauer-Zahlen kommen die Dritten Programme der ARD auf das höchste Durchschnittsalter, an der Spitze das Bayerische Fernsehen mit 64 Jahren. Doch auch das Publikum der Privatsender wird älter. Der durchschnittliche RTL-Zuschauer ist 46 und damit fast am Ende der bisherigen Zielgruppe-Alterspyramide.
ProSieben wäre der große Verlierer
Die RTL-Vermarkter würden "20-59" nicht als neue Referenz puschen, läge der Kölner Sender auch dort nicht weiterhin an der Spitze, müsste allerdrings - so zeigen die Auswertungen bei DWDL - Verluste gegenüber "14-49" hinnehmen. Übrigens ist auch die ARD-Werbung der neuen Alters-Formel gegenüber nicht abgeneigt. Die größten Einbußen hätte hingegen Konkurrent ProSieben (Durchschnittsalter: 35) zu verzeichnen, der sich in der "20-59"-Gruppe sogar hinter dem Schwestersender Sat.1 (Durchschnittsalter: 51) einreihen müsste.
Kein Wunder, dass die ProSiebenSat.1-Gruppe mit ihrer Vermarktungstochter SevenOne Media da nicht mitmachen will. Jedenfalls noch nicht. Denn auf Dauer wird man sich auch im Münchner Norden der Bevölkerungsentwicklung nicht verschließen können.
Die Zeit arbeitet für "20-59". ProSiebenSat.1-Chef Thomas Ebeling ist übrigens auch schon 52 und damit aus der Zielgruppe seiner Sender herausgefallen. Dabei ist er doch im allerbesten Konsumenten-Alter.
Externe Artikel
20.07.2011
DWDL
16.04.2011
Focus
10.12.2010
W&V
27.06.2010
Stefan Niggemeier
17.09.2008
NDR
Weitere Artikel
30.04.2011
Netzpresse
06.01.2011
Netzpresse
08.07.2010
Netzpresse
Kommentare:
Seien Sie der Erste, der diesen Beitrag kommentiert